In West-Darfur im Sudan drohen ethnische Säuberungen

Während sich die Staaten zu einer Geberkonferenz in Genf versammeln, verschlimmert sich die Lage der Menschen im Sudan von Tag zu Tag

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Sudan wird die Lage für die Menschen immer katastrophaler. Fast 25 Millionen Menschen brauchten humanitäre Hilfe, sagte eine Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag in Genf. Vier Millionen Kinder und schwangere oder stillende Mütter seien akut unterernährt.

Das Welternährungsprogramm (WFP) versucht, in den kommenden Monaten mindestens 5,9 Millionen Menschen zu versorgen, braucht aber dringend mehr Geld, wie ein Sprecher sagte. Das WFP sei besorgt um die nächste Ernte. Eigentlich beginne im Juni die Aussaat von Sorghum, einer der wichtigsten Getreidearten im Sudan. Abgesehen von der Sicherheitslage seien die Preise für Samen und Düngemittel in die Höhe geschossen.

In dieser Situation fand am Montag eine UN-Geberkonferenz zum Sudan statt, angestoßen unter anderem von der EU, Deutschland, Saudi-Arabien, Ägypten und verschiedenen UN-Organisationen. Doch schon vor Beginn sorgten sich Hilfsorganisation darüber, ob überhaupt genug Geld zusammenkommen würde, um den Schutzsuchenden im Sudan zu helfen: »Schon vor der aktuellen Krise war die humanitäre Hilfe massiv unterfinanziert, nur 16 Prozent des Finanzbedarfs waren gedeckt. Auch in den ohnehin fragilen Nachbarländern wird mehr Geld benötigt, da sie durch die Flüchtlinge zusätzliche Lasten tragen«, erklärte der Landesdirektor der Welthungerhilfe im Sudan, Michael Gabriel.

Die Zahl der Geflüchteten im Sudan ist erschreckend: Rund 2,2 Millionen Menschen seien durch die im April ausgebrochenen Kämpfe vertrieben worden, sagte die WHO-Sprecherin. Davon seien 528 000 in die Nachbarländer geflohen: gut 200 000 nach Ägypten, rund 150 000 in den Tschad und 110 000 in den Südsudan. Schon vor Ausbruch der Kämpfe im April gab es 3,7 Millionen Vertriebene im Land.

In der Hauptstadt Khartum sei nur noch jede fünfte Klinik oder Praxis voll im Einsatz, berichtete die WHO-Sprecherin. Der drohende Beschuss hindere Pflegekräfte und Patienten daran, Kliniken zu erreichen. Die WHO fürchtet Krankheitsausbrüche, weil es zu wenig Trinkwasser gibt und Menschen ungefiltertes Wasser aus Flüssen trinken. Sie fürchtet auch zusätzliche Fälle von Malaria und Dengue-Fieber, weil Einsätze gegen die Ausbreitung von Mücken eingestellt worden sind.

Nach Angaben des sudanesischen Gesundheitsministeriums sollen bis zum 14. Juni 1073 Menschen getötet und 11 704 verletzt worden sein. Weil vielerorts kaum Informationen gesammelt werden können, gehen die UN-Organisationen aber davon aus, dass die wahren Zahlen deutlich höher liegen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor einer Ausweitung der Kämpfe auf das gesamte Land: »Die Kämpfe haben mittlerweile auf mindestens sechs Landesteile übergegriffen«, berichtete Sarah Reinke, Leiterin der Menschenrechtsabteilung der GfbV am Freitag in Göttingen. »Al-Geneina ist seit Mai ein Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen der Armee und den RSF-Milizen, die mit bewaffneten arabischen Milizen verbündet sind«, erklärte Reinke. »Die Gewalt eskaliert dort bereits seit Wochen. Flüchtlinge, die versuchen, die Grenze zum Tschad zu erreichen, wurden beschossen. Ihre Leichen liegen auf der Straße zwischen Al-Geneina und Adri.«

Aus Sorge vor ethnischen Säuberungen und einem Genozid hat sich die GfbV mit anderen Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief an UN-Institutionen und die EU-Staatschefs gewandt. »Die vorliegenden Berichte legen nahe, dass die RSF und ihre Verbündeten koordiniert und systematische Zivilisten, Krankenhäuser, Wohngebäude und Verteilungsstellen humanitärer Hilfe angreifen«, so Reinke. Die internationale Gemeinschaft müsse »Maßnahmen ergreifen, um die ethnischen Säuberungen zu beenden und einen Völkermord zu verhindern.« Die RSF sind aus den Dschandschawid-Milizen hervorgegangen, die laut GfbV ab 2003 Haupttäter im Genozid in Darfur waren mit bis zu 400 000 Toten. Mit Agenturen

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