Bundeshaushalt 2024: Die Handschrift der FDP

Gegenüber dem diesjährigen Bundeshaushalt sinken die Ausgaben 2024 um 30 Milliarden Euro

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Eure Sparpolitik kostet uns die Zukunft!« Zehn Jugendorganisationen, darunter des DGB, der Naturfreunde und Fridays for Future, haben an Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner einen Brandbrief gesendet. Die Schuldenbremse sei kein geeignetes Instrument, um ihre Zukunft zu gestalten, heißt es darin. Man blicke mit Sorge auf einen »Haushaltsentwurf, der den gesellschaftlichen Herausforderungen von heute und morgen nicht ansatzweise gerecht wird«. Die aktuelle Finanzplanung reiche »weder, um gesetzlich beschlossene Maßnahmen und Ziele zu finanzieren, noch ermöglicht sie vorausschauende Investitionen zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen«. Dazu zählen die Autoren Klimaschutz, Armutsbekämpfung, Bildungsgerechtigkeit, Digitalisierung und moderne Infrastruktur.

Dagegen finden Teile der Opposition, es werde noch nicht genug gespart. Die CDU/CSU kritisierte, dass FDP-Finanzminister Christian Lindner die mögliche Nettokreditaufnahme komplett ausschöpfen will und nur die schwarze Null anstrebe. 

In der Ampel-Koalition wurde lange intern gerungen. Unpünktlich, aber noch rechtzeitig vor der Sommerpause beschloss das Kabinett am Mittwoch seinen Entwurf für den Bundeshaushalt 2024. Auf über 1300 Seiten werden Ausgaben von 445,7 Milliarden Euro aufgelistet – das sind über 30 Milliarden weniger als in diesem Jahr. Lindner plant eine Neuverschuldung von 16,6 Milliarden Euro. Damit werde die Schuldenbremse, die seit der Coronakrise außer Kraft gesetzt war, wieder regulär eingehalten. Dies ist auch für die folgenden Jahren vorgesehen. Das gesamtstaatliche Defizit wird für 2024 mit etwa 4,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angegeben, der Schuldenstand mit 67,8 Prozent des BIP. Damit würde Deutschland weiterhin die Euro-Messlatte reißen.

Bereits für das kommende Jahr sind einschneidende Sparmaßnahmen vorgesehen. So will Lindner den Zuschuss für die Gesetzliche Rentenversicherung senken und den Geldfluss in die Krankenversicherung einfrieren. Personalzuwächse soll es beim Bund nicht mehr geben.

Nach Bekanntwerden des Haushaltsentwurfs war innerhalb der Bundesregierung ein offen ausgetragener, eher kurioser Streit über das Elterngeld entbrannt, das mit mehr als acht Milliarden Euro zu Buche schlägt. Ministerin Paus hatte angekündigt, dass Elterngeld nur noch an Paare mit einem zu versteuernden Einkommen von weniger als 150 000 Euro ausgezahlt werde, während die aktuelle Grenze bei 300 000 Euro liegt. Paus erklärte, das Finanzministerium habe ihr die Sparmaßnahme aufgedrückt. Lindner twitterte prompt, wenn Paus unzufrieden sei, solle sie die Einsparungen von etwa 500 Millionen in ihrem Ministerium auf andere Weise erbringen. Laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind von der Kürzung wohl nur einige tausend Familien betroffen.

Wie bei der Kindergrundsicherung, bei der die ab 2025 benötigten Summen zwischen Lindner und Paus besonders umkämpft sind, dürfte die Diskussion über die Sommerpause hinweg andauern. In der Ampel umstrittene Ausgaben werden in der Kabinettsvorlage als leere »Platzhalter« vermerkt. Solche Sonderwünsche aus Ministerien und Ampel-Parteien dürften dann teilweise aus dem Klima- und Transformationsfonds erfüllt werden. Zuletzt waren dort Ausgaben von 177,5 Milliarden Euro bis 2026 vorgesehen. Den Finanzplan dafür will Lindner im August nachreichen. Nicht allein der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass die Regierung immer neue Ausgaben in kreditfinanzierte Sonderfonds wie für die Bundeswehr verschiebt und damit außerhalb des regulären Haushalts. Dies schwäche Parlament und Demokratie.   

Dem Eindruck eines sozialen Kahlschlags, wie ihn etwa die Linkspartei hat, widersprach Lindner jetzt in einem Meinungsbeitrag für die »FAZ«: »Dies ist nicht die Zeit der Wünsche«, schreibt er darin. So rechnet er 2024 mit Zinsausgaben von 37 Milliarden Euro, nach nur rund 3,9 Milliarden im Jahr 2021. Lindners politischen Spielraum beengen zudem hohe konsumtive Ausgaben. So sind für »Arbeit und Soziales« 172 Milliarden Euro vorgesehen. Dahinter verbergen sich auch Löcher bei Renten und Krankenkassen, die der Bund stopft. Für Investitionen sind nächstes Jahr 54,2 Milliarden vorgesehen, lediglich ein leichtes Plus. »Deutschland braucht ein Klima für Innovation und Investition«, so Lindner. Dafür bedürfe es nicht unbedingt mehr Geld, sondern »struktureller Reformen«. 

Von einem Aufbruch in die sozial-ökologische Transformation ist auf jeden Fall wenig zu spüren, kritisiert unter anderem Rudolf Hickel von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. »Eher dominiert der Rückschritt in die elende Haushaltspolitik der Vor-Corona-Zeit«, so der Bremer Ökonom gegenüber nd.DerTag. Wichtige Ressorts wie Gesundheit und Familie, aber auch Wirtschaft und Umweltschutz seien »die Verlierer«. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm wiederum bemängelt vor allem unzureichende Ausgaben im Bildungsbereich. Gewerkschaften und der Sozialverband VdK haben die geplanten Einsparungen im Sozialbereich scharf kritisiert.

»Selbst auf kleinste Maßnahmen der Vermehrung der Einnahmen durch höhere Steuern für Vermögende wird verzichtet«, sagte Hickel gegenüber »nd«. Im Gegenteil kündigte Lindner ein Steuerreformgesetz an, das unnötige Investitionsprämien an gewinnträchtige Unternehmen verteile. Hickels Fazit: »Der Entwurf zum Bundeshaushalt 2024 ist vor allem in Richtung sozial-ökologischer Transformation perspektivlos. Die FDP-Handschrift ist unverkennbar.« Auch deshalb seien Änderungen im parlamentarischen Beratungsprozess dringend geboten. 

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