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Eine Kiste mit Weggestecktem

Namen im Literaturbetrieb (Teil 5, Schluss): Mara-Daria Cojocaru hat gelernt, die Verhunzungen ihres Namens zu verschmerzen

  • Mara-Daria Cojocaru
  • Lesedauer: 3 Min.
Serie »Namen im Literaturbetrieb«: Eine Kiste mit Weggestecktem

Seit ich Deutsch gelernt habe, und das ist meine Muttersprache, meine Vatersprache Rumänisch, hat mein Vater Rumänisch nur am Telefon mit seinen Freunden gesprochen. Und in meinen ersten Kindersommern. Und wenn Verwandte da waren. Und wenn er im Auto fluchte. Also oft eigentlich. Also eigentlich verwunderlich, dass ich die Sprache nicht als Kind mitgegeben bekommen habe. Na, also seit ich Deutsch gelernt habe, habe ich mit Sprache immer auch gespielt. Heute bin ich unter anderem so etwas wie eine Dichterin und Sprachpoliererin. Das bedeutet, wenn man mit Worten spielt, empfinde ich Freude, Genugtuung, fühle mich wohl. Nur bei meinem eigenen Namen ist das etwas anders.

Das weiß wohl auch mein »poetischer Korrespondent« und Kollege Ron Winkler, der mir in unserem mittlerweile bei Schöffling & Co. erschienenen Wechsel »Du weißt nicht, wie schwer es geworden ist, einen Brief zu verschicken« am 30.11.2017 eine Nachricht schickt, nachdem er mal wieder meinen Namen irgendwo falsch geschrieben gelesen hat. Er fragt:

»Mara, ist jetzt Mara, ist heute Mara? Mara-D. D D D D D. Spielt ein Kind Maschinengewehr in deinem Namen? (…)«

Ich bin dankbar, wenn andere sich über die Verhunzung meines Namens beklagen, sie zumindest zur Sache machen, denn ich selber habe mir einen höflich-defensiven Umgang damit angewöhnt. Ich habe gelernt, das wegzustecken. Mehr noch sogar, wenn die Menschen an der Aussprache scheitern. Dann habe ich das Gefühl, dem anderen zu Hilfe zu eilen und irgendwie gnädig bis entschuldigend zu lächeln oder »Oder einfach Mara« sagen zu müssen – und manchmal auch noch »Maria ohne i!« hinterher. Ron stößt also gegen eine Kiste mit all dem Weggesteckten. Sie springt auf und ich antworte, postwendend:

Um deine Frage zu beantworten: Ja.

Mara-Daria Cojocaru

Maria-Daria Cojocaso

Mara-Dara Cajocara

Mira-Dora Cojacuro

Mari-Dari Cojucari

Mara-Darja Cocojaru

Maraj-Dara Cajucara

Damara Cocojara

plus Mara-Daria Denrestsparichmir

Mara Cojocaru

Maria-Dara Cujocura

Mara-Daria Cojucaru

Dana Maria Cojocaru

Cijocaru

Cajacau

Cojacarn

Damit hatte ich endlich den Kübel weggesteckter Buchstabenformationen ausgekippt, mit denen verschiedenste Menschen versucht haben, meinen Namen zu verwenden. Sehen Sie was?

Die Sender haben es sich zumeist nicht einmal besonders leicht gemacht. Nur zweimal werde ich schlicht zu einer geläufigeren »Maria«. In anderen Fällen bin ich tierliebe Person sogar geneigt, schlicht Katzenkombinationen anzunehmen, alles im Tasten.

Voll daneben war lediglich »Mara-Daria Denrestsparichmir« – vielleicht aber auch deswegen so gesagt, weil ich ja weiß, wann ich im Alphabet drankomme, und schon beim Doktortitel cum gequältem Gesichtsausdruck und Nasenzwickerzwinkern der damaligen oberbayerischen Regierungspräsidentin losgelaufen war, ihr zu helfen, mich zu vereidigen. In allen anderen Fällen möchte man sagen, die Bemühung macht es noch komplizierter.

Meistens, wenn ich mit den Menschen sprechen kann, meinen Namen ein paar Mal vorgesungen habe, mir dabei nicht mal klar bin, ob eine echte Rumänin da nicht weniger Singsang reinbringen würde, das Gegenüber vorsichtig in Schwingung kommt und dann irgendwann ein Lächeln im Gesicht hat, wie wenn Schaukeln doch eigentlich Spaß macht: »Schöner Name, eigentlich!« – dann frage ich nicht nochmal, was mit »eigentlich« gemeint ist. Und freue mich ein bisschen, verspüre auch etwas Genugtuung. Aber so ganz wohl fühle ich mich nicht damit.

Mara-Daria Cojocaru, geboren 1980 in Hamburg, lebt als Schriftstellerin und Philosophiedozentin in England. Für ihre vielfach übersetzten Gedichte wurde sie unter anderem mit dem Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur ausgezeichnet.

Namen sind wichtig

Namen sind wichtig, das weiß jeder. Besonders, wenn man Literatur schreibt. Wenn sie ungewohnt wirken, werden sie oft falsch benutzt. Über Diversität wird gern geredet, darüber aber fast nie. Deshalb schreiben in »nd.DieWoche« Schriftstellerinnen und Schriftsteller über ihre Namen.

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