Berlin sucht das Raubtier: Schrödingers Löwin

Eine vermeintliche Löwin hält die Hauptstadtregion in Atem – und wirft Fragen auf

Nur ein paar Sekunden reichten aus, um die Hauptstadtregion in helle Aufregung zu versetzen. Ein Video, wohl nachts aufgenommen im brandenburgischen Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark), verbreitet sich am Donnerstag mit rasender Geschwindigkeit in den sozialen Medien. Autoscheinwerfer geben den kurzen Blick auf eine vermeintliche Raubkatze frei, die daraufhin im Gebüsch eines Waldes verschwindet.

Am frühen Morgen berichten die Brandenburger Behörden von einem wilden Tier – vermutlich eine Löwin. Passanten hätten die Raubkatze in Kleinmachnow entdeckt. »Die geschilderte Situation wird als glaubwürdig angesehen«, heißt es vonseiten der Polizei. Mit Hubschraubern und Drohnen begeben sich die Einsatzkräfte auf die Suche, die aber bleibt zunächst erfolglos. Währenddessen nimmt das Rätselraten Fahrt auf: Unter anderem aus dem Zirkus in Teltow werden Zweifel laut, dass es sich überhaupt um eine Löwin handelt. Auch wo die Raubkatze ausgebüxt sein könnte, ist vollkommen unklar.

Sämtliche Zoos, Tierparks, Zirkusse und Tierschutzeinrichtungen seien überprüft worden, so die Polizei. Zoo und Tierpark in Berlin bestätigen, dass das Raubtier wohl nicht aus den eigenen Einrichtungen stammt. Übrig bleibt eine Möglichkeit, die Kleinmachnows Bürgermeister selbst ausspricht. »Man kann sich ja schon immer vorstellen, wenn man sagt, das reiche Kleinmachnow, dass vielleicht irgendjemand eine Löwin hält«, spekuliert Michael Grubert (SPD) am Donnerstagmittag im eigens für die Raubtiersuche angelegten RBB-Livestream.

Anders als in Berlin ist es im Nachbarland Brandenburg tatsächlich möglich, eine Löwin zu Hause zu halten, wie der Tierschutzverein für Berlin »nd« wissen lässt. Es fehle an einer sogenannten Gefahrtierverordnung. »In Deutschland ist es jeder Privatperson erlaubt, Tiere zu besitzen, die hier weder heimisch sind noch artgerecht privat gehalten werden können«, kritisiert Vereinschefin Mareen Esmeier. »Das muss endlich ein Ende haben.« Es könne nicht sein, dass in einigen Bundesländern quasi jede*r Krokodile oder Tiger halten dürfe.

Die entlaufene Löwin, sofern sie denn eine ist, sorgt beim Tierschutzverein für Mitleid. Auf sich allein gestellt und von Menschen verfolgt, sei die Raubkatze einem enormen Stress ausgesetzt. Man hoffe, dass für Mensch und Tier alles gut ausgehe, so der Verein. Kleinmachnows Bürgermeister Grubert versichert am Donnerstag, dass das Tier nur im »äußersten Notfall« getötet werden soll. »Dazu muss man auch noch sagen, dass die Munition der Polizei auch nicht direkt geeignet ist, ein Raubtier zu töten.« Hierfür brauche es Spezialmunition.

Unter anderem mit der Hilfe von Warn-Apps hatte die Brandenburger Polizei eine Warnung für Kleinmachnow, Strahnsdorf und Teltow herausgegeben. Die Einwohner*innen waren aufgefordert worden, die eigenen Häuser möglichst nicht zu verlassen. Auch die Berliner Feuerwehr mahnte im »Bereich der südlichen Landesgrenze Berlins« zur Vorsicht. Sogar die Stadt Potsdam stieß hinzu: »Augen auf! Potsdam ist nicht weit entfernt.«

Am Nachmittag wurde die vermeintliche Löwin dann nahe der Stadtgrenze zu Brandenburg gesichtet. Auch der Königsweg im Bezirk Steglitz-Zehlendorf soll gesperrt worden sein. Gefangen war das Tier zu nd-Redaktionsschluss am Donnerstag noch nicht, sorgte derweil aber in den sozialen Medien für Freude. Kevin Hönicke, SPD-Bezirksstadtrat von Lichtenberg, berichtete auf Twitter, dass er ein Interview verschieben musste, die Reporterin müsse nun über die Löwin berichten und »muss das Interview mit dem Löwen Hönicke absagen«, so Hönicke. mit dpa

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