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Alles eine Frage der Teigführung

Brotbacken kann kurz oder lange dauern. Was ist das Besondere an Sauerteig – und sind Sauerteigbrote die besseren?

Was ist das Besondere an Sauerteig – und sind Sauerteigbrote die besseren?

Welches Brot kaufst du am liebsten?

Ein spezielles Mischbrot, 70 Prozent Roggen und 30 Prozent Weizen, also ein etwas dunkleres. Dafür kutsche ich durch halb Berlin bis zum Alex, weil bei mir in der Nähe praktisch kein Bäcker mehr existiert.

Ist dir wichtig, ob Sauerteig drin ist?

Eigentlich nicht. Es gibt aber Leute mit einer Hefe- oder Histamin-Unverträglichkeit. Für die ist reines Hefebrot nicht das Gelbe vom Ei. Was bei Roggen ohnehin nicht trivial ist, denn Roggen braucht Säure, sonst kommt die Hefe nicht richtig zum Zuge.

Deshalb heißt der Sauerteig Sauerteig?

Ja. Das hat damit zu tun, dass neben Hefen darin etliche Bakterien ihr Zuhause haben, die allen angebotenen Zucker zu Milchsäure verarbeiten.

Woraus kann man Sauerteig herstellen?

Aus allen möglichen Sachen. Neulich gab es einen Artikel über ein Sauerteig-Archiv, dort haben sie unter mehr als 100 Sorten auch ziemlich exotische Sachen. Zum Beispiel einen Sauerteig aus dem Libanon auf Grundlage von Kichererbsen und einen japanischen, der mit Reismehl angesetzt wurde.

Schmeckt das Endprodukt danach?

Das ist auch bei den verschiedenen Hefen zu vermuten. Entstanden ist die ganze Hefe-Backerei erst vor ein paar Hundert Jahren, weil vor allem in Deutschland die Bierbrauer ihre Hefen, die beim Brauen abfallen, den Bäckern gegeben haben.

Alkoholismus hat also auch sein Gutes.

Was heißt Alkoholismus? Das Bier hatte ja ursprünglich noch andere Funktionen. Es war dank Alkohol halbwegs keimfrei und führte nicht wie Flusswasser, in das alle Abfälle gekippt wurden, zu Infektionen.

Warum braucht Roggenmehl Säure?

Dr. Schmidt erklärt die Welt

Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsjournalist Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt

Damit das Brot locker wird und nicht klumpig. Beim industriellen Backen hat man Säuren zugesetzt, aber nicht immer mit Erfolg. Mit den Säuren müssen sich die Hefen vertragen, was nicht so einfach ist.

Beim klassischen Bäcker gehen Brotteige sehr lange, im Backautomaten zu Hause dauert das Backen zwei, drei Stunden. Was ist der Unterschied?

In den Backmischungen für die Automaten hast du meist nur Hefe und verschiedene Enzyme. Das geht recht fix. Während der Teig beim Bäcker längere Ruhezeiten braucht, für das Fermentieren durch Bakterien und Hefen im Teig. Die Fachleute nennen das Teigführung.

Schmeckt Sauerteigbrot besser oder ist es nur anders?

Ich meine, dass man das schmeckt. Beim Kaufhallenbrot musst du schon Glück haben, wenn es herzhaft und locker und auch nach zwei, drei Tagen gut essbar sein soll.

Und nicht gleich austrocknet?

Ja. Es gab mal eine Umfrage bei Sterneköchen nach ihrem Lieblingsbrot, und da waren mehrere dabei, deren Lieblingsbrot auch nach fünf, sechs Tagen gut, teils sogar besser schmeckte, selbst wenn es etwas hart wurde. Das kannst du bei den meisten Industriebroten vergessen.

Stichwort Fermentieren: Ist das eine Frage des Geschmacks, der Haltbarkeit, oder ist es auch gesünder?

Kommt drauf an. Ich meine, eine frische Gurke ist mit den Bitterstoffen in Schale und Kernen schlechter verdaulich als eine sauer eingelegte. Da hat auch Fermentierung mit Bakterien stattgefunden.

Wie beim Wein gibt es auch Sommeliers fürs Brot. Wie beschreibst du ein Brot, das deinen Vorstellungen entspricht?

Ach, du grüne Neune! Mir fällt es total schwer, Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen in Worte zu fassen. Ich kann auch Weine ganz gut unterscheiden, aber das nicht auf den Begriff bringen. Es ist wie im Arbeiterlied: Es macht mich ein Geschwätz nicht satt, das schafft kein Essen her.

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