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Erich Mühsam: Bündnisfälle

Was sagen uns die Notizbücher des Anarcho-Kommunisten Erich Mühsam?

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
So einer wie er wurde ständig verfolgt: Erich Mühsam in der Festungshaftanstalt Ansbach (1919)
So einer wie er wurde ständig verfolgt: Erich Mühsam in der Festungshaftanstalt Ansbach (1919)

Noch fast 90 Jahre nach der Ermordung von Erich Mühsam im Konzentrationslager Oranienburg erscheinen neue Schriften des bekannten Anarchisten. So hat die Berliner Gustav Landauer Initiative vor einigen Wochen in zwei Broschüren die Notizbücher Mühsams veröffentlicht. Der erste Band enthält seine Notizen aus den Jahren 1926 bis 1928, der zweite Band endet mit einer kurzen Notiz vom 7. September 1933: »Besuch Enzian und Josef«.

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In den früheren Jahren erfährt man unter anderem von Mühsams Krankheiten, vom Streit mit seiner Frau und Konflikten mit Genoss*innen. Letztere entzündeten sich vor allem daran, dass Mühsam lange Zeit mit der Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe kooperierte und für diese auch als Redner auftrat. Sein enger Kontakt zu der Organisation wird bereits auf den ersten Seiten der Broschüre deutlich: Mühsam wurde wegen seiner aktiven Rolle in der Bayerischen Räterepublik zu einer mehrjährigen Festungshaft verurteilt und in dieser Zeit von der Roten Hilfe solidarisch unterstützt. Als er im Dezember 1924 schließlich aus der Haft entlassen wurde, bereiteten ihm seine Unterstützer*innen in Berlin einen triumphalen Empfang – die Polizei antwortete darauf mit Knüppeln und Verhaftungen. In den folgenden Monaten sprach der Anarchist Mühsam immer wieder bei gut besuchten Veranstaltungen der kommunistischen Roten Hilfe im ganzen Land, und dies sorgte für großen Unmut bei großen Teilen der anarchistischen Szene, die angesichts der Repression gegen Anarchist*innen in der Sowjetunion immer stärker auf eine Trennung von der Roten Hilfe drängten.

Mühsam, der in der Festungshaft einige Wochen lang KPD-Mitglied war, machte aus seiner Ablehnung der bürgerlichen Demokratie ebenso wenig ein Geheimnis wie aus seiner Kritik am zunehmend autoritären Kurs gegen linke Oppositionelle in der SU. Aber diese Kritik hinderte ihn nicht an einer Zusammenarbeit mit Kommunist*innen in Deutschland und eben auch mit der Roten Hilfe – das Honorar, das Mühsam wie alle Redner*innen der Roten Hilfe für seine Arbeit erhielt, war dafür sicher nicht ausschlaggebend. Dennoch warfen seine anarchistischen Kritiker*innen Mühsam unter anderem vor, er lasse sich von der Roten Hilfe »ködern«, die durch die Sowjetunion finanziell unterstützt wurde. Und das war nicht die einzige Verleumdung gegen den Anarchisten, der schließlich im Oktober 1925 aus der Föderation Kommunistischer Anarchisten in Deutschland (FKAD) ausgeschlossen wurde. Neben seiner Kooperation mit der Roten Hilfe wurde ihm vorgeworfen, nicht aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten zu sein. Andere Anarchist*innen verwiesen auf die Bolschewiki, denen es in Russland gelungen sei, eine Strömung des Anarchismus für sich zu gewinnen; mit Mühsams Ausschluss wolle man eine ähnliche Entwicklung in Deutschland verhindern.

Dieses Vorgehen der FKAD zeigt, dass auch der anarchistischen Bewegung autoritäre Maßnahmen nicht fremd sind. Andererseits beweist das in den Notizbüchern dokumentierte politische Wirken Mühsams, dass Anarchistinnen und Kommunist*innen – bei aller Kritik aneinander – eben doch kooperieren können. Diese Erkenntnis hat nicht nur historischen Wert: Angesichts von steigender Kriegsgefahr und dem Erstarken rechter Kräfte könnte die Bündnisfähigkeit eines Erich Mühsams ein ermutigendes Beispiel für eine nicht sektiererische linke Politik sein, die noch unterscheiden kann zwischen politischen Differenzen und Feindbilderklärung. Peter Nowak

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