Abschiebung aus Klinik

Bundespolizei für Nacht- und Nebelaktion in der Kritik

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon bevor Innenministerin Nancy Faeser (SPD) innerhalb der Ampel-Regierung einen schärferen Abschiebungskurs gegenüber nicht anerkannten Geflüchteten umsetzt, agiert manch eine Behörde mit vorauseilendem Gehorsam. Solch ein Beispiel liegt aus dem Kreis Segeberg vor, wo die Bundespolizei in einer buchstäblichen Nacht- und Nebelaktion eine 37-jährige Tunesierin gegen ihren Widerstand aus einer Psychosozialen Klinik in Abschiebegewahrsam genommen hat.

Der Fall hat für massive Kritik gesorgt, behördliches Fingerspitzengefühl Fehlanzeige. Die schwarz-grüne Landesregierung kann unterdessen kein Fehlverhalten feststellen. Es geht um Mariem F., die wegen ihrer Homosexualität in ihrem Herkunftsland Tunesien verfolgt wurde und sich deshalb auf die Flucht nach Schweden machte. Da ihr Asylantrag dort allerdings nicht anerkannt wurde, suchte sie 2022 Schutz in Deutschland. Dort hat man sie zunächst in der schleswig-holsteinischen Landesunterkunft Boostedt (Kreis Segeberg) einquartiert. Als ihr dort zu verstehen gegeben wurde, dass man im Zuge der Dublin-III-Verordnung ihre Rückführung nach Schweden plane, beging sie einen Suizidversuch. Daraufhin wurde sie als stationäre Patientin in der unter Regie der Diakonie betriebenen Psychiatrischen Klinik in Rickling (Kreis Segeberg) untergebracht.

Lesen Sie auch den Kommentar »Faeser: Mehr Abschiebungen, bitte!« von Pauline Jäckels.

Wegen völligem Unverständnis über das repressive behördliche Vorgehen hat die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), Dietlind Jochims, die rabiate Aktion öffentlich gemacht. »Bei uns schrillen alle Alarmglocken, wenn in einer kirchlichen Einrichtung die Patientensicherheit nicht gewährleistet scheint«, sagt die sichtlich aufgewühlte Jochims. Eine Abschiebung aus einer laufenden Behandlung im Krankenhaus sei nach ihren Worten ein Skandal.

Wegen völligem Unverständnis über das repressive behördliche Vorgehen hat die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), Dietlind Jochims, die rabiate Aktion öffentlich gemacht. »Bei uns schrillen alle Alarmglocken, wenn in einer kirchlichen Einrichtung die Patientensicherheit nicht gewährleistet scheint«, sagt die sichtlich aufgewühlte Jochims. Eine Abschiebung aus einer laufenden Behandlung im Krankenhaus sei nach ihren Worten ein Skandal.

Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche wünscht sich von der Kieler Landesregierung nun einen Erlass, wie es ihn bereits in Thüringen und Rheinland-Pfalz gibt. Dort sind Abschiebungen aus Krankenhäusern grundsätzlich untersagt. Für den unabhängigen Flüchtlings- und Zuwanderungsbeauftragten Schleswig-Holsteins, Stefan Schmidt, stellt eine Abschiebung aus einem Krankenhaus einen Tabubruch dar. Schmidt zeigt sich enttäuscht, dass in diesem Fall niemand »ein Mindestmaß an Sensibilität« gezeigt habe.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Der Landessprecher der Linken Schleswig-Holstein, Luca Grimminger, fordert eine Untersuchung der Recht- und Verhältnismäßigkeit der Abschiebemaßnahme. Das Sozialministerium in Kiel verweist dazu darauf, dass die erfolgte Abschiebung formalrechtlich nicht zu beanstanden gewesen sei und hier lediglich eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge getroffene Entscheidung umgesetzt wurde.

Die Betroffene befindet sich mittlerweile wieder in Schweden und dort in Abschiebehaft. Sie fürchtet bei einer Überstellung zurück nach Tunesien, dass man sie, basierend auf den § 230 des dortigen Strafgesetzbuches, der Homosexualität unter Strafe stellt, ins Gefängnis steckt. Jochims rechnet für Mariem F. in Tunesien jedenfalls mit »einer Gefahr für Leib und Leben«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!