Hans-Georg Jakobson: Sein letzter Sommer in Strausberg

Vor 30 Jahren wurde Hans-Georg Jakobson von Neonazis ermordet

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Initiative fordert einen Gedenkort für Hans-Georg Jakobson auf dem Bahnhofsvorplatz in Strausberg. Er wurde 1993 in der S-Bahn von Neonazis ermordet.
Eine Initiative fordert einen Gedenkort für Hans-Georg Jakobson auf dem Bahnhofsvorplatz in Strausberg. Er wurde 1993 in der S-Bahn von Neonazis ermordet.

Vor dem Bahnhof Strausberg wurden Blumen niedergelegt. Antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen erinnerten damit Ende Juli an ein Opfer rechter Gewalt: Hans-Georg Jakobson. In der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1993 saß der 35-jährige Jakobson schlafend in der S-Bahn Richtung Strausberg, als drei Neonazis den Waggon betraten. Sie waren bekannt dafür, dass sie Menschen, die sich nicht wehren konnten, schlugen und ausraubten. Nachdem sie bei dem schlafenden Jakobson keine Beute gefunden hatten, schlugen sie ihn und warfen ihn kurz vor der Station Petershagen aus der fahrenden S-Bahn.

Jakobson war noch bei Bewusstsein, als er gefunden wurde und konnte Angaben zum Tathergang machen, bevor er an den schweren Verletzungen durch den Sturz starb. Die Tat fand für kurze Zeit mediale Aufmerksamkeit. Doch der rechte Hintergrund wurde dabei weitgehend ausgeblendet. So schrieb die »Bild« unter dem Titel »Tod eines Bäckers« über das Opfer: »Job weg, Wohnung weg, Frau weg – dann kamen die S-Bahn-Mörder«. Dabei war der Neonazihintergrund des Trios schon damals bekannt. Nachdem sie Jakobson aus der S-Bahn geworfen hatten, raubten sie zwei weitere Passanten aus. Die informierten die Polizei, die die Täter festnahm und auch schnell die Verbindung zu den Toten auf den Gleisen herstellen konnte.

30 Jahre später wird nun an das lange vergessene Opfer rechter Gewalt erinnert. In einer Broschüre, die von der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland, dem Humanistischen Regionalverband Märkisch-Oderland, der S5-Antifa und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) Märkisch-Oderland erstellt wurde, gehen die Verfasser auf die Neonazistrukturen ein, in denen das Trio agierte. Die Täter wurden 1994 zu Haftstrafen zwischen sechs und acht Jahren verurteilt und wurden im Gefängnis von rechten Unterstützerstrukturen betreut. Auch nach ihrer Haftentlassung waren sie weiter im rechten Milieu aktiv.

Die Broschüre zeigt auch einen Überblick über die Neonazi-Organisationen der letzten 30 Jahre in Strausberg und Umgebung. Zu diesen Gruppen gehörte etwa die 1998 von einem der Täter nach der Haftentlassung gegründete Alternative Nationale Strausberg – Dart-, Piercing- und Tattoo-Offensive» (ANS-DAPO). Diese Organisation wurde 2005 wegen ihrer geistigen Nähe zum Nationalsozialismus vom Bundesinnenministerium verboten.

Doch der rechte Terror ging weiter. 2008 überfielen Neonazis den Jugendclub Horte. Eine 2012 von antifaschistischen Initiativen am Vorplatz des S-Bahnhofs Strausberg organisierte Gedenkveranstaltung zum zwanzigsten Todestag von Jakobson wurde von Jungnazis gestört. In diesem Jahr beobachteten einige Männer aus der Entfernung die Gedenkkundgebung. Die Antifaschist*innen aber haben sich mit zivilgesellschaftlichen Gruppen vernetzt und auch professionalisiert. Das zeigt die ansprechend gestaltete Broschüre, die den Titel «Sie gingen – ich blieb liegen. Das war mein letzter Sommer in Strausberg» trägt. Es ist ein Zitat eines Bekannten von Jakobson, der ebenfalls von Rechten am Bahnhof Strausberg überfallen wurde und überlebte.

Im Gespräch mit «nd» betonen die Antifaschist*innen, dass sie mit der Broschüre die Diskussion um das Gedenken an Hans-Georg Jakobson anregen. Er ist offiziell noch immer nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Für die Behörden gilt sein Fall als Raubüberfall mit Todesfolge. Die Gedenkinitiative fordert einen Gedenkort für Jakobson auf dem Bahnhofsvorplatz von Strausberg. Mit ihrer Broschüre liefern sie eine erste Grundlage für die Diskussion.

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