Bitcoin: Zehn Jahre Achterbahn

Im August 2013 hat die Bundesregierung Bitcoin als Währung anerkannt

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 5 Min.

Als das Kursfeuerwerk gezündet wurde, war das Erstaunen groß. Die junge Internetwährung Bitcoin erzielte innerhalb kürzester Zeit außerordentlich hohe Kursgewinne: Lag der Preis für einen Bitcoin bei Online-Börsen wie bitcoin.de im März 2013 bei rund 70 Euro, so überschritt er im November desselben Jahres bereits die Marke von 700 Euro. Anleger, die rechtzeitig ein- und wieder ausgestiegen waren, konnten ihr Kapital innerhalb weniger Monate mehr als verzehnfachen.

Dieser Triumph warf Fragen auf, etwa danach, wie der Handel mit Bitcoins rechtlich zu bewerten ist. Die wurden zumindest teilweise am 16. August 2013 von der damals amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung beantwortet. Auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler erkannte sie Bitcoin als »Rechnungseinheit« an. Das Herstellen von Bitcoins sei eine »private Geldschöpfung«, wie das Bundesfinanzministerium der erstaunten Fachöffentlichkeit mitteilte. Bitcoin sei eine Art »privates Geld«, schrieb Wolfgang Schäubles (CDU) Finanzministerium in seiner Antwort auf die Anfrage des FDP-Abgeordneten. Die digitale Währung könne in »multilateralen Verrechnungskreisen« eingesetzt werden. Damit adelte die Bundesregierung die Kryptowährung rechtlich und steuerlich als Währung.

Doch anders als bei regulärem Geld steht hinter der Kryptowährung keine Zentralbank, die für deren Wert bürgt. Bitcoins werden durch sogenanntes Mining, also aufwendige Rechenvorgänge in Hochleistungsrechnern, dezentral produziert und müssen durch das vernetzte digitale System zertifiziert werden.

Die künftige Menge der Bitcoins ist dabei von vornherein begrenzt. Durch einen Mechanismus wird die Berechnung jeder neuen »Münze« zunehmend schwerer. So kommen nur »Bitcoin-Miner« mit schnellen Computern zum Zuge. Die übrigen bleiben auf enormen Stromkosten und hohen Abschreibungen sitzen. Wegen des Energieverbrauchs und der großen Abwärme der Computeranlagen gelten Kryptowährungen vielen als klimaschädlich.

Es sind vor allem ärmere Staaten mit niedrigen Strompreisen, die das neue Geld schöpfen lassen. Länder wie Montenegro oder El Salvador wollen sich mit dem Mining neue Einnahmequellen erschließen. El Salvador hat den Bitcoin vor zwei Jahren gar als nationale Währung eingeführt. Doch Kryptowährungen erfüllen bislang keine der wesentlichen Geldfunktionen: Weder sind sie verlässlicher Wertspeicher, den man sparen kann, noch funktionieren sie in der Praxis als anerkannte Mess- und Recheneinheit, kritisiert der Wirtschaftsjournalist Alexander Hagelüken, der ein grundlegendes Buch zum Thema geschrieben hat.

Obwohl mit der seit 2009 existierenden virtuellen Währung Bitcoin teilweise auch Waren und Dienstleistungen im Internet bezahlt werden können, sind Kryptowährungen im Kern Spekulationsinstrumente mit starken Kursschwankungen. So hatte der Bitcoin im Herbst des vergangenen Jahres wieder einmal ein Zwischentief erreicht. Von seinem Allzeithoch von mehr als 56 000 Euro fiel der Kurs des Bitcoins auf rund 15 000 Euro.

Verursacht wurde der Kurseinbruch teils durch die angekündigten Zinserhöhungen der Zentralbanken im vergangenen Jahr. Hinzu kamen gescheiterte Krypto-Projekte wie »Terra« oder »Celsius« sowie massenhafte Stellenstreichungen bei Unternehmen aus der Branche und die Pleite der Kryptobörse FTX im November. Deren Betreiber Sam Bankman-Fried sitzt inzwischen im Gefängnis, weil er im Zuge von Betrugsermittlungen gegen ihn Zeugen unter Druck gesetzt haben soll.

Zuletzt hat sich der Bitcoin-Preis erholt und stand am Dienstag bei knapp 27 000 Euro. Es sind vor allem diese extremen Kursschwankungen, die Kryptowährungen für Käufer und Nutzer zu einer hochriskanten Anlage machen. Auch darum seien sie für den normalen Zahlungsverkehr ungeeignet, warnte wiederholt die Bundesbank.

Doch einen handfesten Vorteil hat das künstliche und dezentral geschaffene Geld: Es ist kaum kontrollierbar. Für Banken, Zentralbanken, offizielle Verrechnungsstellen und Behörden ist es außerordentlich schwer, Geschäfte mit der Währung zu überwachen. Diese Anonymität fasziniert Kryptofans.

Zugleich bietet sich hier ein breites Einfallstor für Kriminalität und Korruption. »Bisher sorgten vor allem Drogendealer, Geldwäscher und Erpresser für einen steten Zustrom von neuem Geld in den Bitcoin-Sektor«, schreibt Johannes Lehner. Der Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Organisationsforschung an der Universität Linz gilt als einer der profiliertesten Krypto-Kritiker. Unter Wissenschaftlern gibt es zwar auch Anhänger von Bitcoin, wie die Frankfurt School of Finance and Management, eine private Hochschule. Aber die Skepsis überwiegt unter Experten.

Das hält den weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock nicht von Geschäften mit der Digitalwährung ab. Das Unternehmen kündigte jüngst einen Indexfonds mit Bitcoin an. Anleger könnten dann durch den Kauf von Anteilen indirekt auf die Wertentwicklung der Digitalwährung wetten. Noch liegt keine Genehmigung der US-Finanzaufsicht SEC vor, aber ein solcher Fonds dürfte den Bitcoin-Kurs nach oben treiben, ist Krypto-Experte Lehner überzeugt. Auch davon würde Blackrock profitieren, denn der amerikanische Konzern ist an zwei Mining-Firmen beteiligt, die Bitcoin produzieren.

Zwar überwiegen bei deutschen Banken und Sparkassen noch die Vorbehalte. Dennoch scheinen selbst Genossenschaftsbanken und Sparkassen spezielle Krypto-Konten zu erwägen, um jungen risikofreudigen Kunden eine Spielwiese zu verschaffen, auf der das nächste Kursfeuerwerk gezündet werden kann. Wer indes bereits 2013 Bitcoins erworben hat, darf sich heute über einen üppigen Gewinn freuen, wenn er nun verkauft. Die regierende rot-grün-gelbe Bundesregierung hat allerdings inzwischen klargestellt, dass Gewinne aus Kryptowährungen steuerpflichtig sind. Alles hat eben seinen Preis.

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