Fridays for Future: »Wir bleiben bei unseren Aktionsformen«

Meret Busch von Fridays for Future über die Herausforderung, wieder zur Massenbewegung zu werden

  • Interview: Laura König
  • Lesedauer: 5 Min.

Fünf Jahre Fridays for Future – doch der Zuspruch für die Klimabewegung schrumpft. Mitte September ist der nächste globale Klimastreik geplant. Frau Busch, Sie waren eine der 500 Aktivist*innen, die kürzlich am Sommerkongress der Bewegung in Lüneburg teilgenommen haben. Was ist gerade die größte Herausforderung?

Eine der größten Herausforderungen ist: Wir kämpfen schon seit vier Jahren in Deutschland auf der Straße, haben aber auch mit einer neuen Regierung immer noch nicht die Klimaziele erreicht und nicht die Maßnahmen ergriffen, die für effektiven Klimaschutz nötig sind. Es sollte darum gehen: Wie können wir die Zukunft unserer Generation, aber auch die von allen nachkommenden auf diesem Planeten sichern? Statt darüber zu sprechen, konzentrieren sich viele, auch in den Parteien, mittlerweile darauf, Klimaaktivist*innen zu kritisieren. Das halte ich für sehr gefährlich, weil es vom eigentlichen Thema ablenkt.

Woher kommt diese Verschiebung?

Es liegt daran, dass die Öffentlichkeit gerade ein bestimmtes Bild von Klimaaktivismus zugespielt bekommt. Das hat auch mit dem Auf-die-Straße-Kleben zu tun. Da gehen viele Menschen nicht mit. Es wird momentan mehr über Aktionsformen gestritten als über das Ziel der Aktionen. Wir merken auch auf unseren Demonstrationen, dass uns immer mehr Menschen auf den Straßen feindlich gegenüberstehen.

Das belegen aktuelle Umfragen: Die Unterstützung für die Klimabewegung hat sich seit 2021 halbiert. Nimmt der Zuspruch für Fridays for Future ab, seit die Letzte Generation mit ihren Protesten Aufmerksamkeit erregt?

Wir können schon seit Corona weniger Menschen mobilisieren. Durch die Pandemie hat sich der Fokus der Leute verändert. Wir haben in unserer Gesellschaft gerade viele Themen, die die Menschen bewegen, da ist es schwieriger, für Klimaschutz zu mobilisieren. Zur Letzten Generation: Wir können verstehen, dass Menschen aus Frustration über die aktuelle Klimapolitik neue Aktionsformen ausprobieren. Wir aber wollen diese Aktionsformen nicht wählen und bleiben bei unseren. Aber der Protest der Letzten Generation führt auf jeden Fall zu einem sehr kontroversen Diskurs in der Öffentlichkeit, und der schadet uns auch.

Fridays for Future wird also seine Aktionsformen nicht erweitern?

Wir reflektieren immer unsere Aktionen und unsere Strategie und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir eine Massenbewegung bleiben wollen, der jeder Mensch beitreten kann. Es gibt andere Organisationen mit anderen Aktionsformen, und Menschen, die dort mitmachen möchten, können das tun. Aber wir wollen die große Massenbewegung bleiben, die auf die Straße geht und laut ist.
Wir brauchen diese, um einen Handlungsdruck auf Politiker*innen auszuüben.

Wie soll das gehen, die Massen wieder für die Klimabewegung zu begeistern?

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Wir müssen vor allem diverser werden, damit sich mehr Menschen mit unserer Bewegung identifizieren können. In der Öffentlichkeit spiegeln wir ein sehr homogenes Bild wider, und viele fühlen sich davon nicht abgeholt. Das merkt man, und daran müssen wir in der nächsten Zeit arbeiten. Auf dem Sommerkongress wurde an mehr Diversität gearbeitet. Es gab einige Vorträge und Workshops zum Thema Klimakrise und Klimagerechtigkeit im Globalen Süden. Das Thema geht bei uns in der deutschen Klimabewegung oftmals unter, und ich möchte es in Zukunft mehr betonen. Beim Sommerkongress ging es aber vor allem darum, neue Leute in die Bewegung zu holen. Viele waren zum ersten Mal da. Allein solche Events öfter zu veranstalten, könnte schon innerhalb der Bewegung dazu führen, sich besser zu verstehen und dann wieder neue Ideen zu entwickeln.

Welche Bilanz ziehen Sie aus fünf Jahren Fridays for Future?

Wenn ich vergleiche, wie viel heute über die Klimakrise gesprochen wird und wie das vor fünf Jahren war, hat sich enorm viel in der Gesellschaft gewandelt. Es gibt wahrscheinlich keinen Bereich mehr, in dem gar nicht über Klimaschutz gesprochen wird. Selbst wenn über Protestformen gestritten wird, ist am Ende das Grundthema doch noch mal da. Dass wir 2021 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes erwirken und zur Bundestagswahl so viele Menschen mobilisieren konnten und sich das auch in den Ergebnissen widerspiegelte – das sind riesige Erfolge. Gerade gibt es schon eine Durststrecke für uns, aber wir wollen durchhalten.

Auch ohne neue Aktionsformen zu erproben: Hat sich die Rolle von Fridays for Future in den letzten fünf Jahren gewandelt?

Als wir angefangen haben, war es noch viel mehr eine Schüler*innen-Bewegung. Heute sind wir immer aber auch Studierende, Auszubildende oder Menschen im Berufsleben. Unsere Rolle hat sich dahingehend gewandelt, dass unsere Sprecher*innen zum Beispiel in Talkshows nach ihrer Meinung gefragt werden und dass weniger über unsere Proteste an sich berichtet wird. Wir haben heute eine Rolle als Institution, die eine Meinung hat. Es ist sehr wichtig, dass wir als Bewegung ein Sprachrohr sind und immer wieder mehr Klimaschutz fordern können. Um aber viele Menschen auf die Straße zu bringen, müssen wir dieses Bild wieder ein bisschen zurückdrehen. Menschen sehen sich selbst vielleicht nicht in einer Talkshow, aber sie sehen sich auf der Straße, und das muss auch wieder deutlich werden.

Wo sehen Sie die Bewegung in den nächsten Jahren?

Im allerbesten Fall kommen wir aus dem großen Streit über Aktionsformen heraus, um uns wieder darauf konzentrieren zu können, dass wir ja eigentlich besseren Klimaschutz erreichen wollen. Da erhoffe ich mir Erfolge. Ich möchte noch mit dafür sorgen, dass Fridays for Future wieder groß wird und wir wieder große Klimaproteste haben. Ich wünsche mir, dass wir nicht gegenüber denjenigen klein beigeben, die gerade gegen uns als Klimaterroristen wettern.

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