Ausbildungsqualität ungenügend

Der DGB-Ausbildungsreport sieht Mängel bei der Digitalisierung

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Jeder scheint sie zu suchen, keiner scheint genug zu bekommen: Auszubildende. Seit Jahren klagen die Arbeitgeber über fehlenden Nachwuchs und entsprechend zu wenige Fachkräfte. Zuletzt schlug die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) Alarm: Einer Umfrage der Interessensvertretung der gewerblichen Wirtschaft zufolge haben im vergangenen Jahr 47 Prozent der Unternehmen nicht alle Ausbildungsplätze besetzen können. Dies sei gegenüber den Werten vor der Corona-Pandemie ein Anstieg um 15 Prozentpunkte und nahezu eine Verdopplung innerhalb von zehn Jahren. Bei über 30 000 Betrieben sei nicht einmal eine einzige Bewerbung eingegangen. Besonders schwer gestalte sich die Suche in den Branchen Gastronomie, Industrie und Handel.

Als Gründe benannte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks den demografischen Wandel sowie die mangelnde berufliche Orientierung der jungen Generation. Die jungen Leute blieben nach dem Schulabschluss häufig zu Hause, studierten oder gingen auf Reisen. Von der Politik forderte er eine stärkere Berücksichtigung der beruflichen Orientierung in den Lehrplänen sowie mehr Schülerpraktika. »Viele Unternehmen strengen sich sehr an, Nachwuchskräfte zu finden und an sich zu binden«, betonte Dercks. Dabei stünden Bedürfnisse der Azubis, etwa flache Hierarchien oder das Arbeiten mit moderner Informationstechnik, immer mehr im Vordergrund.

»Moderne Ausbildung« und Digitalisierung bilden auch den Schwerpunkt des am Mittwoch vorgestellten diesjährigen Auszubildendenreports des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). In der Befragung von rund 9900 Azubis wird ein anderes Bild vom Stand der Digitalisierung gezeichnet. Nur knapp die Hälfte der Befragten sieht sich durch ihre Ausbildung im Betrieb »gut« oder »sehr« gut auf das Thema vorbereitet.

Auch gaben 39,8 Prozent der Auszubildenden an, selten oder nie die benötigten technischen Geräte für eine digitale Ausbildung zu erhalten. »Konkret heißt das: Wollen sie zeitgemäß und gut ausgebildet werden, müssen die Azubis in ihre eigene Tasche greifen, um Lücken in der technischen Ausstattung auszugleichen«, so DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker bei der Vorstellung des Reports in Berlin.

Auch die Berufsschulen schneiden beim Thema Digitalisierung schlecht ab. Nur etwa ein Drittel der Befragten bewertete die digitale Ausstattung mit »gut« oder besser. Mit 53,7 Prozent sieht nur knapp über die Hälfte der Auszubildenden die Unterrichtsqualität als »gut« oder »sehr gut« an – ein Tiefstand, so Gewerkschafter Kristof Becker. »Politik und Arbeitgeber müssen deutlich mehr tun, damit die duale Ausbildung auch im Digitalzeitalter funktioniert«, meint er. »Wer Fachkräfte gewinnen will, muss sie zeitgemäß und mit modernsten Lernmethoden ausbilden, sonst wird das nichts mit dem Wandel unserer Arbeitswelt.«

Auch bei den Ausbildungsbedingungen sieht der DGB Probleme, wenngleich über 70 Prozent der Auszubildenden sich zufrieden zeigten. So gibt rund jeder zehnte Befragte an, unbezahlte Überstunden machen zu müssen. Bei der Ausübung ausbildungsfremder Tätigkeiten verbucht der Report einen neuen Höchststand: 12,7 Prozent der Befragten müssen »häufig« oder »immer« Aufgaben wahrnehmen, die nicht Teil der Ausbildung sind.

Am besten schneiden laut Report die Ausbildungen der Industriemechaniker, Mechatroniker und Elektroniker für Betriebstechnik ab. Am unteren Ende finden sich Ausbildungen für Hotelfachleute, Verkäufer und Friseure. In die Bewertung flossen Arbeitszeit, fachliche Qualität der Ausbildung, persönliche Einschätzung der Auszubildenden und Vergütung ein. Diese liegt für Friseure teils nur bei der Hälfte der durchschnittlich 929 Euro pro Monat.

Insgesamt wurden laut Report 2022 von 544 000 Ausbildungsstellen 68 000 nicht besetzt. Dennoch konnten über 60 000 Interessenten keine Lehrstelle finden. »Vor allem Hauptschüler und junge Menschen ohne Schulabschluss haben immer weniger Chancen auf einen Ausbildungsplatz«, so die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Mittlerweile hätten über 2,64 Millionen junge Menschen in Deutschland keinen Berufsabschluss. Vor diesem Hintergrund begrüßte die Gewerkschafterin die ab 2024 greifende Ausbildungsgarantie. Diese habe aber Lücken: »Mittlerweile bildet nicht einmal mehr jeder fünfte Betrieb noch aus – Jahr für Jahr wird ein neuer Tiefststand erreicht.« Es brauche einen bundesweiten umlagefinanzierten Zukunftsfonds, der die Ausbildungskosten umverteile.

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