Südostasien-Gipfel: Epizentrum des globalen Wachstums

Die Staaten der Asean geben sich vor ihrem Gipfeltreffen selbstbewusst

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 5 Min.

Diplomatie ist in einer politisierten, sich polarisierenden Weltwirtschaft das Gebot der Stunde. Diplomatisch zu sein steht für die Orientierung auf Lösungen und Kompromisse sowie für die Bereitschaft, sich in die Lage anderer zu versetzen. Darauf setzt der indonesische Gastgeber des viertägigen Gipfeltreffens des Verbandes Südostasiatischer Nationen, kurz Asean. Es beginnt an diesem Montag in Jakarta.

Das globusartige Logo der Konferenz verrät viel über das Selbstverständnis der teilnehmenden Regierungschefs. Es zeigt Abbilder des Himmels, der Berge, des Ozeans und des hierzulande weitgehend unbekannten Maleo-Vogels. Der Himmel, der die Erde überspannt, symbolisiert den Schutzschirm für unseren gefährdeten Globus. Die Berge sind Visualisierungen von Festigkeit und Stabilität. Sie stehen zugleich für vielversprechendes Wachstum, da ihre Form nach oben weist.

Ozeane stellen Bewegung dar, die die Asean in eine (noch) bessere Zukunft führen soll. Zugleich verbindet das trennende Meer Tausende Inseln mit dem Festland. Die reiche Artenvielfalt der Region wird durch das Profil des Maleo versinnbildlicht. Der Vogel stammt von der Insel Sulawesi, die inmitten Indonesiens liegt, und symbolisiert das Konzept der Zentralität. Als Vogel, der an Land läuft, verkörpert der Maleo einen bodenständigen, bescheidenen und damit geradezu diplomatischen Geist.

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Mit dem beredten Logo des 43. Asean-Gipfeltreffens ist zugleich die umfassende Agenda der Konferenz umschrieben, von Biodiversität bis zu wirtschaftspolitischer Blockbildung. Es sei an der Zeit, dass wir die Region Südostasien als Wachstumszentrum darstellen – dieses Motto hat der Gastgeber, Indonesiens Präsident Joko Widodo, als Leitmotiv ausgegeben, gleichermaßen »als Epizentrum des Wachstums«.

Zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte der seit 2014 amtierende indonesische Präsident die Hannover-Messe im April eröffnet. Für deutsche Auto- und Maschinenbauer ist das diesjährige Partnerland der Messe wegen seiner weltweit größten Nickel-Vorkommen interessant. Auch Nordrhein-Westfalen vertiefte seine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Südostasien in diesem Jahr auf einem NRW-Asean Summit. Die grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur ordnete das so ein: »Südostasien bietet mit seinen mehr als 650 Millionen Einwohnern und hohen Wachstumsraten große Chancen für Unternehmen.«

Die Mitglieder der Asean (engl. Association of Southeast Asian Nations) sind seit der Jahrtausendwende zur fünftgrößten »Volkswirtschaft« der Welt aufgestiegen, mit einem Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet rund 3 Billionen Euro. Was dem BIP des bevölkerungsreichsten Landes der Erde, Indien, entspricht. Deutschland hat als stark außenwirtschaftlich orientiertes Land ein besonderes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit.

Gleichzeitig liegt die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik mit ihren Wertvorstellungen nicht etwa im Schwerpunkt der Welt, sondern eher am Rande, ergab eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Diese »fremde Welt« beherrscht nicht allein die Asean-Konferenz, sondern auch den sich anschließenden G20-Gipfel in Neu-Delhi.

Seit China auf seiner »Neuen Seidenstraße« in Südostasien an Einfluss gewinnt, ist die Region im sogenannten Westen stärker in den Blick gerückt. Die Konfrontation zwischen China und den Vereinigten Staaten sowie der Ukraine-Krieg haben zusätzliche politische Aktivitäten ausgelöst. Auch hierzulande: Deutsche Kriegsschiffe und die Luftwaffe zeigen im Indo-Pazifik neuerdings Flagge. In der Nationalen Sicherheitsstrategie vom Juni (2023) rückt die lange vernachlässigte Region stärker in den politischen Fokus.

Kanzler Scholz drängt auf Freihandelsabkommen, vor allem mit Indonesien, dem Staat mit der global viertgrößten Bevölkerung, in dem weltweit zudem die größte Zahl an Muslimen lebt. Was dem im Westen umstrittenen Präsidenten Widodo geopolitisch einen besonderen Rang verleiht, seit die Golfstaaten teilweise einen antiwestlichen Kurs fahren und die Nähe zu China suchen.

Südostasien tritt angesichts neuer Ost-West-Konflikte durchaus selbstbewusst auf. Im letzten Jahrzehnt wuchs die Wirtschaft der zehn Asean-Staaten – darunter das in Deutschland besonders beliebte Urlaubsziel Thailand, das Industrieland Vietnam und das globale Finanzzentrum Singapur – durchschnittlich um 3,98 Prozent. Und lagen damit über dem globalen Durchschnitt von 2,6 Prozent. Im Jahr 2022 betrug das Wachstum 5,1 Prozent.

Aktuell verweist die Asean-Konferenz auf die Prognose des Internationalen Währungsfonds. Danach wird das globale Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 auf nur noch 2,7 Prozent geschätzt, was einem deutlichen Rückgang gegenüber den beiden Vorjahren entspricht. Obwohl der Weltwirtschaft ein Rückgang prognostiziert werde, liege das Wachstum im südostasiatischen Raum weiterhin über dem weltweiten Durchschnitt, heißt es in einer Analyse der Asean.

Mit Blick auf die großen Nachbarn betont der aus Brunei stammende Generalsekretär der Südostasien-Organisation, Lim Jock Hoi, dass diese künftig eine noch aktivere Rolle spielen und »Ideen und Lösungen zum Wohle von Frieden und Wohlstand in der Region« auf der Konferenz vorschlagen werde. Damit zielte der Ökonom ganz diplomatisch auf expansive Bestrebungen von China und Indien. Beide Staaten gehören nicht der Asean an.

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