Streit um sichere Herkunftsländer: Zustimmen oder enthalten?

Grüne und CDU in Schleswig-Holstein uneins über Abstimmungsverhalten bei sicheren Herkunftsländern

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz des erst kürzlich bei der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg getroffenen Beschlusses, Georgien und Moldau zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erklären und der daraufhin bereits mehrfach deutlich formulierten Ablehnung der Grünen zu einer weiteren Ausweitung des Kreises, macht der Ampel-Koalitionspartner FDP weiter Druck beim Thema Migrationspolitik.

So forderte am Wochenende neben Parteichef Christian Lindner auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr, dass es bei der von der Ampel-Koalition beschlossenen Einstufung von Moldau und Georgien nicht bleiben dürfe. »Ich hielte es für richtig, dabei auch über die Maghreb-Staaten zu beraten«, so Dürr gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zu den Maghreb-Staaten zählen unter anderem Marokko, Tunesien und Algerien.

Unterstützung erhalten die Liberalen mit dieser Forderung nicht nur erneut aus Reihen der CDU, sondern auch von Sahra Wagenknecht (Linke), die in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« forderte, Migration zu begrenzen. Wer wirklich verfolgt werde, verdiene Schutz, aber darüber hinaus gelte: »Es gibt Grenzen, jenseits derer unser Land überfordert wird und Integration nicht mehr funktioniert«, so Wagenknecht. Linken-Kovorsitzender Martin Schirdewan hingegen wandte sich gegen eine Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. In den Funke-Zeitungen wies er auf Verhaftungen von Oppositionellen und Rassismus gegen Migranten hin und nannte Algerien »eine De-facto-Diktatur«.

Als sichere Herkunftsstaaten werden Länder eingestuft, bei denen es nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes im Regelfall weder Verfolgung noch erniedrigende und unmenschliche Behandlung gibt, sodass bei einer Abschiebung in den Heimatstaat dort mit keiner Gefahr oder Bedrohung zu rechnen ist. Aktuell gilt das für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Ghana, Senegal, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Nordmazedonien, Kosovo, Albanien und Montenegro.

Kündigt sich auf Bundesebene mit dem Migrationsthema damit sowohl der nächste große Krach in der Ampel als auch gesamtgesellschaftliche Großkonflikt an, schlägt die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auch auf das Zusammenwirken in Regierungskoalitionen in den Ländern durch. So streitet sich etwa Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein aktuell über das anstehende Abstimmungsverhalten im Bundesrat zur Einstufung von Moldau und Georgien als sichere Herkunftsländer.

Einerseits hatte vonseiten der Grünen zum Beispiel Sozial- und Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) bereits vor der parlamentarischen Sommerpause die entsprechende Einstufung auf Initiative des SPD-geführten Bundesinnenministeriums vehement abgelehnt. Andererseits zeigt sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nach dem Ampel-Kabinettsbeschluss nun entschlossen, dem Vorhaben im Bundesrat zuzustimmen.

Der Haken daran: Im Koalitionsvertrag haben beide Parteien festgelegt, sich im Bundesrat bei unterschiedlicher Meinung jeweils zu enthalten. Auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages und damit auf eine Enthaltung des Landes pochen nun die Grünen. Die CDU hingegen verweist auf den von den grünen Kabinettsmitgliedern mitgetragenen Beschluss sowie befürwortende Stimmen der Grünen-Bundesprominenz wie die des Bundesvorsitzenden Omid Nouripour. Dahinter, so die Argumentation der CDU, müssten sich die Nord-Grünen doch eigentlich einreihen.

Doch der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Lasse Petersdotter, will nicht so einfach klein beigeben. Im Koalitionsvertrag habe man klar vereinbart, dass man sich bei Uneinigkeit im Bundesrat enthalte. »Von dieser Einigung und von dieser Regel gingen wir bislang auch aus«, so Petersdotter. Man sei bei der Ausweitung der sicheren Herkunfsstaaten kritisch und lehne dieses Instrument ab. Zu den unterschiedlichen Positionen der Koalitionspartner erklärte er, dass es scheinbar Diskussionsbedarf gebe. »Und darüber diskutieren wir mit dem Ministerpräsidenten.«

Unterstützung bei der Ablehnung zur beabsichtigten Erweiterung der Herkunftsstaatenliste erhalten die Grünen im Norden unter anderem von der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl, die schwerwiegende Bedenken äußert. So könne von einer landesweiten Sicherheit in Georgien und Moldau keine Rede sein. So sehe sich etwa die LGBTIQ-Community gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt, ohne staatlichen Schutz geboten zu bekommen. Aus Moldau seien zudem Fälle von Diskriminierung und Ausgrenzung gegenüber Rom*nja bekannt. Mit Agenturen

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