Höchstleistung der Hochschulpolitik

Der Kampf gegen die Prekarisierungsmaschine Universität geht weiter

  • Alexander Gallas
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Rande: Höchstleistung der Hochschulpolitik

Empört zeigte sich Bettina Stark-Watzinger (FDP) angesichts des Vorschlags der Linkspartei, Noten abzuschaffen. »Leistung muss sich lohnen«, so die Bundesministerin für Bildung und Forschung auf der Social-Media-Plattform X/Twitter. Was in der Schule recht und billig ist, gilt für das Bundeskabinett allerdings noch lange nicht.

Im März hatte Stark-Watzinger Vorschläge unterbreitet, wie das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu novellieren sei. Das Gesetz geriet in Verruf, weil es Universitäten erlaubt, Wissenschaftler*innen sehr lange in einem Zustand der beruflichen Unsicherheit zu halten. Bis zu sechs Jahre ist man nach Abschluss der Doktorarbeit befristet beschäftigt. Danach kann man sich im Prinzip nur noch um Professuren an anderen Hochschulen bewerben, die wiederum rar gesät sind. Klappt das nicht, droht das berufliche Aus.

Entsprechend hatten 2018 satte 92 Prozent aller wissenschaftlichen Beschäftigten, die unter 45 waren und keine Professur hatten, Verträge auf Zeit. Das ist eine ziemlich genaue Umkehrung der Verhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt insgesamt, wo 91 Prozent der lohnabhängig Beschäftigten fest angestellt sind. Seit Jahren skandalisieren Gewerkschaften und Beschäftigteninitiativen diese Zustände; das Hochschulwesen stellt eine gigantische, aus Steuermitteln finanzierte Prekaritätsmaschine dar.

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Stark-Watzingers Reformvorschlag bestand zunächst darin, den Befristungszeitraum für Promovierte von sechs auf drei Jahre zu verkürzen. Es kam zu heftigen Protesten, denn in einem derart kurzen Zeitraum ist es kaum möglich, sich für eine Professur zu qualifizieren. Also bauten die Ministerin und ihr Team etwas um: Aus sechs wurden nun vier Jahre, und man fügte noch eine Verdauerungsregelung hinzu, die allerdings als weitgehend praxisuntauglich gelten kann. Auch die neuen Pläne sorgten für Empörung – sogar die Fachpolitiker*innen der Koalitionspartner erklärten, ihnen nicht zustimmen zu können.

Angesichts der verhauenen Reform muss man der Ministerin wohl ein Mangelhaft ins Zeugnis schreiben. Trotz ihres Leistungsausfalls macht sie allerdings unbeirrt weiter. Das Kabinett wird dieser Tage zu den überarbeiteten Vorschläge beraten. Es bleibt die vage Hoffnung, dass die Ampel sich weitere Konflikte ersparen will und erst einmal auf »Stopp« schaltet. So würde allerdings nur die Verschlimmbesserung des Status Quo verhindert, der dringend benötigte Systemwechsel bliebe aus.

Auf den Unifluren erzählt man sich unterdessen, dass es schwierig geworden sei, junge Leute für eine Laufbahn in der Wissenschaft zu begeistern. Diese wüssten dank der Proteste der letzten Jahre genau um die miesen Arbeitsbedingungen. Stimmt die Beobachtung, drohen die Hochschulen von unten her auszuhungern. Am Ende führt also kein Weg an der Organisierung und Mobilisierung der Betroffenen vorbei. Gewerkschaften und Beschäftigtenorganisationen haben dieser Tage eine Petition mit dem Titel »Stoppt die Dauerbefristung in der Wissenschaft« gestartet, die sich direkt an die Ministerin richtet. Bald steht auch die Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder an. Es wäre wichtig, dass sich die Beschäftigten an den Hochschulen in den Verhandlungen Gehör verschaffen – und mit Nachdruck fordern, dass das Befristungsunwesen endlich beendet wird.

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