Störfeuer im Herzen

Herzrhythmusstörungen gehören zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland

Die Stärke des menschlichen Herzens besteht darin, dass es gleichmäßig schlägt und unseren Körper lebenslang mit sauerstoffreichem Blut versorgt sowie Nähr- und Abfallstoffe an ihre Bestimmungsorte pumpt. Manchmal ist die Frequenz höher, manchmal niedriger, je nach aktueller körperlicher und mentaler Anforderung. Es gibt aber auch Störungen des Herzrhythmus, die krankhaft sein können. Diese sogenannten Arrhythmien treten seit einigen Jahren immer häufiger auf und mehr Menschen sterben daran. Auch deshalb war diese Gruppe der Herzerkrankungen in diesem Jahr Schwerpunkt des Herzberichtes. Er wird jährlich kurz vor dem an diesem Freitag begangenen Herztag von der Deutschen Herzstiftung herausgegeben.

Laut diesem Bericht, der Daten aus dem Jahr 2021 auswertet, gab es in diesem Zeitraum fast 450 000 vollstationäre Aufnahmen wegen Herzrhythmusstörungen, 28 000 Menschen starben daran. Die häufigste anhaltende Rhythmusstörung ist das Vorhofflimmern. Daran leiden über 1,6 Millionen Menschen in Deutschland. 20 bis 30 Prozent der ischämischen Schlaganfälle gehen darauf zurück. Dabei verstopft ein Blutpfropf arterielle Blutgefäße im Gehirn, das dann nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Experten rechnen damit, dass sich diese Krankheitsfälle wegen der Alterung der Bevölkerung in den kommenden 50 Jahren verdoppeln.

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Die Zahl der vollstationären Aufnahmen wegen Herzrhythmusstörungen hat zudem schon zwischen 2011 und 2019 kontinuierlich zugenommen. Nur während der Pandemiejahre sank die Zahl der Klinikaufnahmen aus diesem Grund (wie bei anderen Herzkrankheiten auch). 2021 lag die altersstandardisierte Hospitalisationsrate der Herzrhythmusstörungen mit 476 vollstationären Aufnahmen pro 100 000 Einwohner deutlich höher als die Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz (444,9). Das zeigt eine neue Entwicklung, denn lange lag die sogenannte Herzschwäche an der Spitze. Typische Symptome sind hier Luftnot und geschwollene Beine, Müdigkeit und Schwächegefühle kommen hinzu. Die Hälfte der Patienten mit dieser Diagnose überlebt die fünf Jahre nach einem solchen Befund nicht.

Der Fokus auf die Rhythmusstörungen hat nicht nur durch diese Zahlen seine Berechtigung. So gibt es verschiedene Ursachen dafür, dass unsere Pumpe aus dem Takt gerät. Oft liegen weitere Herzerkrankungen vor. Vorhofflimmern und -flattern zählen etwa zu den zehn häufigsten Begleitdiagnosen von Herzschwäche oder der koronaren Herzkrankheit (KHK), bei der die Herzkranzgefäße verengt und durch krankhafte Ablagerung von Fetten verstopft sind. In der Folge wird das Herz nicht mehr ausreichend durchblutet. Vorhofflimmern ist zwar in der Regel nicht lebensbedrohlich und verlangt allein keinen längeren Klinikaufenthalt. Damit verbunden ist aber ein erhöhtes Schlaganfallrisiko.

Zudem gibt es eine weitere häufige Todesursache, die mit bestimmten Arrhythmien zu tun hat. Der plötzliche Herztod, auch Sekundentod genannt, wird durch sogenannte ventrikuläre Rhythmusstörungen aus den unteren Herzkammern ausgelöst. Patienten mit diesem Kammerflimmern hatten in der Mehrzahl zuvor schon viele Jahre andere Herzerkrankungen, darunter die KHK, Herzinsuffizienz und Herzmuskelerkrankungen sowie (seltener) Herzklappenerkrankungen.

Auch angeborene Herzfehler und genetisch bedingte Erregungsleitungsstörungen im Herzen können zu bedrohlichen Arrhythmien führen, die dem plötzlichen Herztod unmittelbar vorausgehen. Daran sterben in jedem Jahr in Deutschland über 65 000 Menschen. Das zugrunde liegende Kammerflimmern ist in seiner Häufigkeit schwieriger zu erfassen. Vermutlich ist die Sterblichkeit sogar noch deutlich höher. Paradoxerweise führt das häufigere Überleben eines Infarktes ebenfalls zu mehr Fällen von plötzlichem Herztod, weil eine Schädigung des Herzmuskels zurückbleibt.

Jedoch lässt sich in Sachen plötzlicher Herztod einiges in der Prävention leisten. Wer ein hohes Risiko für die lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen hat, dem kann vorbeugend ein Defibrillator implantiert werden. Bei Kammerflimmern geben die miniaturisierten Elektrogeräte Schocks ab, bis sich der Herzrhythmus normalisiert hat. 2021 gab es in diesem Zusammenhang mehr als 37 000 Eingriffe. Die Überlebenschancen der meisten Betroffenen hängen jedoch davon ab, wie schnell gute Maßnahmen zur Wiederbelebung eingeleitet werden. In der Laienreanimation schneidet Deutschland aber noch immer deutlich schlechter ab als andere europäische Länder wie Norwegen oder Tschechien.

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