Serie »Unter Kontrolle«: Unfähigkeit ist Trumpf

Die Serie »Unter Kontrolle« erzählt von Inkompetenz in Frankreichs Politikbetrieb

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwischen Telefonaten, Kabinettsitzungen und Briefings reden alle Beteiligten ständig aneinander vorbei.
Zwischen Telefonaten, Kabinettsitzungen und Briefings reden alle Beteiligten ständig aneinander vorbei.

Um ihre Glaubwürdigkeit müssen Politiker immer wieder kämpfen, egal aus welchem Lager sie stammen. Und nicht selten funktioniert das mehr schlecht als recht. Genauso ergeht es auch der neuen französischen Außenministerin Marie Tessier (Léa Drucker) in der von Arte produzierten Mini-Serie »Unter Kontrolle«. In der sechsteiligen Politsatire wird die medial sehr präsente Direktorin der fiktionalen NGO Ärzte der Welt vom französischen Präsidenten (Laurent Stocker) wegen ihrer Beliebtheit überraschend zur Außenministerin ernannt, nachdem ihr Vorgänger wegen eines Burn-outs ausfällt.

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Eher hemdsärmelig und ganz ohne den üblichen Standesdünkel übernimmt die taffe 45-Jährige die Behörde zusammen mit ihrem alternativ angehauchten NGO-Kollegen Harold (Samir Guesmi), den sie kurzerhand zum Stabschef macht. Sie ist noch keinen Tag im Amt, als in der Sahelzone fünf Europäer von einer terroristischen Gruppe entführt werden, um Lösegeld von den Regierungen zu erpressen. Marie Tessier, die kurz zuvor noch den Bau eines Krankenhauses in der Gegend mitorganisiert hat, glaubt das alles unkompliziert lösen zu können, hat aber nicht mit den Fallstricken behördlicher Bürokratie und der bornierten Inkompetenz des Politikbetriebs gerechnet.

»Unter Kontrolle« erinnert in ihrer absurden und polemischen Art an die BBC-Kultserie »The Office«, die auch schon von Hollywood und dem hiesigen Privatfernsehen (»Stromberg«) kopiert wurde. In den sechs halbstündigen Episoden wird der Politikalltag französischer Ministerien bitterböse karikiert, ganz nach dem Motto »Idiotie und Inkompetenz sind Trumpf«.

Obwohl es eigentlich darum gehen müsste, Menschenleben zu retten, Rücksicht auf Angehörige zu nehmen und mit Gespür gegenüber der Regierung des ehemaligen Koloniallandes zu agieren, stapfen sämtliche Mitarbeiter blindwütig von einem Fettnäpfchen ins nächste – egal ob es die frisch ins Amt gekommene und unbeholfen agierende Marie Tessier ist oder der eine oder andere langjährige Mitarbeiter, der sich achselzuckend hinter der bürokratischen Routine versteckt.

Der Präsident sorgt sich stets um seine Frisur und Kleidung, deren Design sich an Umfragewerten orientiert. Die Militärs sind die erwartbaren Haudegen, die am liebsten gleich losschlagen wollen. Aber am schlimmsten sind die europäischen Partner, allen voran Deutschland, die sich so unsolidarisch wie möglich verhalten und parallel eigene Verhandlungen mit den Terroristen führen, das jedoch brüsk von sich weisen. Die Entführer wiederum wirken überraschend harmlos, improvisieren auch in einem fort und gehen nicht weniger hilflos mit der ganzen Situation um.

»Unter Kontrolle« aus der Feder des Schriftstellers Charly Delwart, dessen experimenteller autobiografischer Roman »Leben in Zahlen« (Friedenauer Presse) unlängst auf Deutsch erschienen ist, legt ein flottes Tempo vor. Die auf dem Mania-Festival in Lille als beste französische Serie ausgezeichnete Produktion besticht immer wieder durch gelungene Situationskomik und wirklich gute Schauspieler (allen voran Léa Drucker).

Leider gerät »Unter Kontrolle« aber auch immer wieder zu krawallig und fast kalauernd, wenngleich die Serie die politische Klasse auf witzige Art vorführt. Wer denkt, Politik wird von Profis gemacht, die genau wissen, was sie tun, sieht hier überbezahlte, in schicken Limousinen durch die Großstadt chauffierte Akteure, die zwar von spezialisierten Beratern umgeben sind, aber meist spontan das tun, was ihnen gerade in den Sinn kommt.

Zwischen Telefonaten, Kabinettsitzungen und Briefings reden alle Beteiligten ständig aneinander vorbei, lassen Telefone klingeln, verstecken sich, um keine verbindlichen Aussagen treffen zu müssen, oder verweisen auf das Protokoll. Denn wichtig in den Ministerien ist die Geschäftsordnung, also: Wer darf überhaupt mit wem sprechen oder verhandeln – um die Ergebnisse geht es im Grunde nicht. Bis die bald ins Sportministerium strafversetzte Marie Tessier auf alle Regeln pfeift und sich einfach auf den Weg in den Sahel macht.

Verfügbar in der Arte-Mediathek.

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