CO2-Senken und Wasserspeicher

Trockengelegte Moore sollen möglichst schnell wieder vernässt werden. Dafür bedarf es der Mitwirkung von Landwirten

  • Susanne Aigner
  • Lesedauer: 6 Min.

Die Moorschutzstrategie der Bundesregierung sieht vor, die Emissionen aus Moorböden bis 2030 um fünf Millionen Tonnen beziehungsweise zehn Prozent jährlich zu reduzieren. Dafür sollen alle noch bestehenden naturnahen Moore erhalten und land- und forstwirtschaftlich genutzte Moorböden wieder vernässt werden. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will dafür mehr als vier Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Wegen zunehmender Erderhitzung werde es möglicherweise immer schwieriger, die Moore in einigen Jahrzehnten noch zu vernässen, mahnt Moorforscherin Bärbel Tiemeyer vom Thünen-Institut und drängt zur Eile. Vertreter der Landwirtschaft hingegen befürchten Verluste in Milliardenhöhe. Denn wenn Böden vernässt werden, ist es nicht mehr möglich, darauf Milchkühe zu halten oder mit dem Traktor zu fahren. Man müsse Landwirten daher neben Vorgaben auch attraktive Angebote unterbreiten, erklärt der Bremer Bodenkundler Joachim Blankenburg. Man müsse die Nutzer ins Boot holen, sagt auch der Biologe Hans-Konrad Nettmann, Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen. Hier müssten vor allem die Landkreise gemeinsam mit allen Akteuren neue Konzepte der Flächennutzung erstellen. Es sei sinnlos, eine Einzelfläche zu bewässern, wenn rundherum entwässert werde. Schon deshalb gehe es nicht ohne Absprachen vor Ort. Zudem werde die öffentliche Hand Landwirten große Flächen abkaufen müssen, um sie zu vernässen. Schließlich hätten viele Betriebe erst vor wenigen Jahren mit Hilfe staatlicher Subventionen ihre Produktion etwa auf Biogas umgestellt.

Ein weiteres Problem seien fehlende Kenntnisse über die genauen Standorte, sagt Nettmann. Denn Böden verändern sich. Und manche alte Karte könne Moorböden ausweisen, die es gar nicht mehr in der alten Mächtigkeit gibt. Nur wenn man mehr Details über die einzelnen Böden wisse, könne man aber entscheiden, welche Flächen sich überhaupt zum Vernässen eignen, welche nur bedingt und welche gar nicht. Auch gelte es zu beachten, dass bei einer Wiedervernässung etwa von Niedermoorböden der Grundwasserspiegel angehoben wird. Dies könne in den umliegenden Häusern zu Überschwemmungen führen. In Regionen, die unterhalb des Meeresspiegels liegen, müsste man ganze Siedlungen aufgeben.

Weideflächen gingen verloren

Entwässerte Moore in Deutschland werden größtenteils als Grünland und Ackerland genutzt, zu geringem Teil wurden sie aufgeforstet. Auf der Hälfte der Flächen weiden Milchkühe. Mit der Wiedervernässung sind die Flächen für Weidewirtschaft oder Ackerbau – außer für Wasserbüffel – nicht mehr nutzbar. Damit fallen sie für die Produktion von Nahrungsmitteln aus. Das Umweltbundesamt hält dies für unproblematisch: Auf mehr als 20 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden schließlich bereits Pflanzen zur energetischen Nutzung angebaut.

Dafür ermöglichen wiedervernässte Moore die sogenannte Paludikultur: den Anbau von Schilf, Rohrkolben und Seggen, aus denen Dämmstoffe und anderes Baumaterial hergestellt werden. Derzeit wird daran geforscht, wie aus Rohrkolben nachhaltige Dämmplatten für die Bauwirtschaft hergestellt werden können. Allerdings gibt es dafür bisher kaum Nachfrage. Auch bestimmte Baumarten wie Schwarzerlen könnte man pflanzen. Oder Photovoltaikanlagen installieren, so wie es die Bundesregierung vorschlägt.

Es gehe nicht in erster Linie darum, Moore wieder zu vernässen, sondern Treibhausgase aus Moorböden einzusparen, erklärt Mathias Paech. Das könne auch dann gelingen, wenn man die betreffenden Böden nicht etwa renaturiere, sondern lediglich beständig feucht halte.
Der Agrar- und Umweltwissenschaftler forscht mit seinem Team am Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen zu klimaangepasstem Wassermanagement für den nordwestdeutschen Küstenraum. Dabei geht es um die Frage, wie man überschüssiges Wasser aus den regenreichen Wintern speichern kann, um es im Frühjahr und Sommer zur Wässerung zu nutzen und so zu verhindern, dass der Grundwasserspiegel stark sinkt und die Böden austrocknen. So dienen Gräben nicht nur zum Entwässern, sondern auch zum Speichern von Wasser. Das Greifswald-Moor-Centrum, eine Kooperation der Universität Greifswald und verschiedener Moorschutzeinrichtungen, fordert zudem, neben den Landwirten auch Wasserwirtschaft und Kommunen einzubinden.

Moore binden, obwohl sie nur drei bis vier Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, rund 600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Das ist doppelt so viel wie in der Biomasse aller Wälder der Erde gespeichert ist, die etwa 27 Prozent der Landfläche ausmachen.

Nur intakte Moore binden Kohlenstoff. 88 Prozent der Moore weltweit befinden sich noch in einem weitgehend natürlichen Zustand. Als Kohlendioxidsenke konnten Moore das Weltklima in den vergangenen 10 000 Jahren um etwa 0,6 Grad Celsius kühlen.

Agrarflächen als Hauptemissionsquelle

Auf einer Fläche von über 50 Millionen Hektar weltweit wurden Moore derart entwässert, dass sie keinen Torf mehr bilden: Weil ständig Sauerstoff in den Boden eindringt, wird Torf permanent abgebaut. Damit entsteht Kohlendioxid und Lachgas (N2O). In Mitteleuropa führt jede Absenkung des mittleren Wasserstands im Moor um zehn Zentimeter zu weiteren Emissionen von fünf Tonnen CO2-Äquivalenten, pro Hektar und Jahr – in den Tropen sogar neun Tonnen. Der Anteil der EU an weltweit entwässerten Mooren liegt bei rund zwölf Prozent.

Obwohl entwässerte Moore weniger als ein halbes Prozent der Landfläche der Erde ausmachen, sind sie für etwa vier Prozent aller weltweiten menschlichen Emissionen verantwortlich. Entwässerte Moorböden emittieren pro Jahr über 1,9 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente. Fast 90 Prozent sind Kohlendioxid, der Rest ist Methan und Lachgas. Hinzu kommen Emissionen aus Torfbränden, die im Schnitt zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr liegen. Etwa 53 Millionen Tonnen Treibhausgase entweichen in Deutschland jährlich aus trockengelegten Mooren. Nasse Moore emittieren weltweit jährlich 30 Millionen Tonnen Methan – das entspricht einem Drittel der Methanemissionen aus Tierhaltung und Gülle. Doch weil sich Methan mit Sauerstoff schnell in Kohlendioxid und Wasser umwandelt, kommt es nur am Anfang der Moorbildung zu einer zunehmenden Methankonzentration. Später entsteht nur in etwa so viel Methan, wie gleichzeitig abgebaut wird.

Wiedervernässung rechnet sich

Entwässerte Moore in Deutschland finden sich vor allem in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie in Bayern und Baden-Württemberg. Insgesamt verursachen sie jährlich rund 46 Millionen Tonnen Treibhausgase (Stand 2020). Für die aktuell hohen CO2-Emissionen lägen die Kosten für zukünftige Klimaschäden bei 7000 Euro pro Hektar und Jahr. Damit rentiere sich die Wiedervernässung auch ökonomisch, glaubt Agrarforscher Harald Grethe von der Humboldt-Universität Berlin. Um die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, müssten hierzulande jährlich 50 000 Hektar trockengelegte Moore wieder vernässt werden. In der Realität sind es aber nur 2000 Hektar.

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