Gaza-Krieg treibt die Ölpreise

Die Unsicherheit über den Fortgang des Konflikts überschattet die Konjunktur

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Inflation nimmt weltweit Fahrt auf. Vor allem der Öl- und der Gaspreis steigen seit der Hamas-Attacke auf Israel. Mit den zunehmenden Spannungen im Nahen Osten hatte er bereits die für Marktakteure psychologisch wichtige Marke von 90 Dollar je Barrel (Fass zu 159 Litern) überschritten. Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges haben inzwischen auch die Tankstellen in Deutschland erreicht und für steigende Kraftstoffpreise gesorgt. Wie sich die ökonomische Lage weiter entwickelt, hängt maßgeblich vom weiteren Verlauf der Auseinandersetzung ab.

Die Bank von Israel kündigte zur Stützung des Schekels den Verkauf von bis zu 30 Milliarden US-Dollar an. Ende August hatten die Fremdwährungsreserven 203 Milliarden Dollar betragen. Die Zentralbank kann sich also ihre Intervention am Devisenmarkt (noch) leisten. Bislang blieb der Schekel-Kurs denn auch wie angestrebt stabil.

Gravierender dürfte sich eine andere Folge des Konflikts auswirken: Die Regierung von Benjamin Netanjahu hat über 300 000 Reservisten einberufen. Bei diesen handelt es sich größtenteils um Arbeitskräfte. Eine solche Anzahl hat in dem kleinen Land enorme Auswirkungen. Nach Angaben des Statistikamtes waren im August rund 4,3 Millionen Menschen beschäftigt. »Eine drohende Folge des Konflikts könnten Unterbrechungen der Wirtschaftstätigkeit in Israel sein«, heißt es in einer Analyse der deutschen Außenhandelsorganisation GTAI. Hinzu kommen die steigenden Militärausgaben.

»Eine beruhigende Nachricht« für die Wirtschaft sei dagegen das zumindest vorläufige Aus für die radikale Justizreform, mit welcher der Judikative die Kontrollbefugnisse gegenüber Regierung und Parlament weitgehend entzogen werden sollten. Um die Opposition zum Eintritt in seine »Regierung der nationalen Einheit« zu bewegen, musste Netanjahu Zugeständnisse machen. Die Beschneidung der Justiz hat laut GTAI bereits vor ihrer Vollendung zu negativen wirtschaftlichen Folgen geführt und den für Israel existenziell wichtigen einheimischen Hochtechnologie-Sektor – Biotechnologie, Computersoftware, Rüstung – geschwächt.

Auf palästinensischer Seite treffen die Folgen des Krieges viele Zivilisten im Gazastreifen. Und bis zum Angriff der Hamas hatte die israelische Regierung bis zu 17 000 Bewohnern von Gaza den Zutritt zu Arbeitsplätzen in Israel ermöglicht. Bombenangriffe und eine mögliche Bodenoffensive Israels verursachen zugleich schwere Schäden an Bausubstanz, Infrastruktur und in Betrieben und werden vielen Zivilisten das Leben kosten.

Gesamtwirtschaftlich weit bedeutender wäre die Erschließung des vor Gaza liegenden Gaza-Marine-Erdgasvorkommens. Nach Jahren der Blockade hatte der israelische Ministerpräsidentenamt im Juni der Erschließung von Gaza-Marine endlich zugestimmt.

Für die Westbank stellt sich die Frage, ob Israel die Beschäftigung palästinensischer Arbeitnehmer bei israelischen Firmen im bisherigen Umfang weiter zulassen wird. Die Antwort dürfte großenteils von einem etwaigen Übergreifen der Kämpfe auf das Westjordanland abhängen. Bis zu 200 000 Palästinenser arbeiten in Israel und in den israelischen Westbank-Siedlungen, was etwa einem Fünftel aller palästinensischen Lohnabhängigen entspricht.

Bei einem lang anhaltenden Konflikt – erst recht, falls er auf das Westjordanland, geschweige denn auf den Libanon übergreifen sollte – wären nicht nur die Kosten entsprechend höher. Vielmehr würde ein solcher Konflikt auch das Vertrauen der Weltwirtschaft in Israel schmälern. Zwar ist Israel mit einem Bruttoinlandsprodukt, das dem von Österreich entspricht, wirtschaftlich nur ein kleiner Spieler. Erst recht gilt dies für Gaza und das Westjordanland. Aber der erneute Ausbruch der Feindseligkeiten bedroht die Annäherung der beiden Öl-Mächte Saudi-Arabien und Iran, dessen Hisbollah-Miliz den Libanon dominiert und das, wie Qatar, die Hamas stützt.

Ein sich ausweitender Nahost-Konflikt würde jedoch schon aus innenpolitischen Gründen die Machthaber in Abu Dhabi, Doha, Riad und Teheran von einem Weg der halbwegs friedlichen Koexistenz abbringen. Sie würden dann am Öl- und Gashahn drehen. Und aus denen sprudeln rund ein Viertel der weltweiten Ölexporte und ein Großteil des Gases, das vor allem Westeuropa dringend benötigt. Im Extremfall droht eine neue Ölkrise wie in den 70er Jahren.

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