Räumung der Asse kommt vor Gericht

Klage beim OVG Lüneburg soll die vor Jahren beschlossene Stilllegung beschleunigen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit über zehn Jahren schreibt das Atomgesetz fest, dass das marode Atommülllager Asse im niedersächsischen Kreis Wolfenbüttel unverzüglich stillzulegen ist. Die Schließung soll erfolgen, nachdem die dort lagernden radioaktiven Abfälle geborgen worden sind. Doch passiert ist seitdem fast nichts, bemängeln Anwohner und Bürgerinitiativen. Jetzt wollen sie gerichtlich erzwingen, dass es schneller vorangeht.

Eine Anwohnerin der Schachtanlage hat Klage beim niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg gegen die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) eingereicht, wie der atomkraftkritische Verein »aufpASSEn« mitteilte. Dem bundeseigenen Unternehmen obliegt als Betreiberin der Asse die Rückholung der radioaktiven Abfälle. Die Aktivisten von »aufpASSEn« unterstützen die Klage, die laut Gerichtssprecher beim OVG mittlerweile eingegangen ist.

In das frühere Salzbergwerk Asse II wurden zwischen 1967 und 1978 rund 126 000 Fässer mit radioaktiven und chemischen Abfällen gebracht, teilweise wurden die Behälter einfach in die Einlagerungskammern gekippt. Weil das ganze Grubengebäude instabil ist und voll Wasser zu laufen droht, soll der Atommüll geborgen werden. Die Nachbarschächte Asse I und Asse III waren schon früher vollgelaufen und aufgegeben worden.

13 Jahre nach dem sogenannten Asse-II-Optionenvergleich, der die Bergung des Atommülls als sicherste Variante zur Schließung des Bergwerks erklärte, habe die BGE immer noch kein Konzept vorgelegt, bemängelt Heike Wiegel vom »aufpASSEn«-Vorstand. Die Planungen seien weiterhin im Entwurfsstadium. Weder die Rückholung noch die Stilllegung seien bislang auch nur beantragt worden, obwohl die Umweltschäden und die gesundheitlichen Belastungen zeitnahes Handeln erforderten. »Denn der Schacht Asse II droht abzusaufen«, warnt Wiegel.

Klägerin Anja Haase berichtet, viele Anwohner und Nachbarn der Atommüllkippe machten sich schon lange Sorgen um die Gesundheit ihrer Familien sowie die Beeinträchtigungen der Natur. »Unsere Geduld ist zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes endgültig erschöpft«, betont Haase. »Wir setzen nun darauf, dass wir über das Oberverwaltungsgericht Lüneburg endlich eine Beschleunigung bewirken können.«

Vor wenigen Tagen hatte auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) auf mehr Tempo bei der Bergung des Atommülls gedrängt. Sein Ministerium habe für die fachliche Begleitung der Rückholung bereits das Personal aufgestockt. Die Zustände in der Schachtanlage seien untragbar. »Die Anlage muss schnell und sicher geräumt und stillgelegt werden. Die Menschen in der Region haben lange genug mit dieser Belastung unter Tage gelebt.« Das Land Niedersachsen ist im Stilllegungsverfahren zuständig für die Genehmigungen.

Die BGE verweist darauf, dass die Räumung eines unterirdischen Atommülllagers eine weltweite Premiere darstellen würde, die sorgfältig geplant werden müsse. Unter anderem bräuchte es eigens konstruierte Spezialmaschinen. Auf die Klage angesprochen, sagte eine Sprecherin nur, die BGE berücksichtige in ihrem Handeln das »Unverzüglichkeitsgebot« im Atomgesetz. Derzeit laufen Bohrungen für einen neuen Schacht 5, über den der radioaktive Abfall an die Oberfläche geholt werden soll. Die Rückholung soll der BGE zufolge dann im Jahr 2033 beginnen.

Der geborgene Atommüll muss dann zunächst für viele Jahre in einem Zwischenlager verwahrt werden. Über den Standort gibt es ebenfalls Streit zwischen dem Betreiber und Bürgerinitiativen. Während sich die BGE auf eine Fläche in der Nähe des Asse-Schachtes festgelegt hat, um längere Transportwege zu vermeiden und diese bereits untersucht, sprechen sich Anwohner und Initiativen dafür aus, dass auch Asse-ferne Standorte geprüft werden. Damit würde die Strahlenbelastung für Anwohner des Bergwerks reduziert.

Landesumweltminister Meyer wiederum betont, man habe sich im Koalitionsvertrag für eine offene, aber auch zügige Klärung der Zwischenlager-Entscheidung ausgesprochen. Vom Bund erwartet er eine stärkere Würdigung der Argumente und Sorgen aus der Region: »Die Aussage des Bundes und der BGE, keinen Zwischenlager-Standortvergleich durchführen zu wollen, ist nicht nachvollziehbar.« Die Menschen seien die radioaktiven Abfälle und die damit verbundenen Gefahren leid – zumal die aus dem Bundesgebiet stammten und nicht aus der Region.

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