Brandenburg: Erneuter Angriff auf Wohnprojekt in Neuruppin

Sachbeschädigung und Diebstahl: Hausgemeinschaft des Mittendrin spricht von viertem Angriff in diesem Jahr

Das Mittendrin nach dem Angriff vom Donnerstag: »Für jede Fahne, die sie abreißen oder in Brand stecken, hängen wir zwei neue auf.«
Das Mittendrin nach dem Angriff vom Donnerstag: »Für jede Fahne, die sie abreißen oder in Brand stecken, hängen wir zwei neue auf.«

Bereits zum vierten Mal ist das linksalternative Jugendwohnprojekt Mittendrin in diesem Jahr nach eigenen Angaben angegriffen worden. In der Nacht auf Freitag hätten »Unbekannte ein Fenster im Erdgeschoss eingeworfen, Mobiliar auf dem Grundstück sowie linke Fahnen zerstört«, hieß es am Samstag in einer Pressemitteilung des Projekts.

Tamara Lux, eine der Bewohner*innen, erklärte laut der Mitteilung: »Dass es sich bei den Täter*innen um Neonazis handelt, steht für uns außer Frage.« Sie verwies zur Begründung auf die eingeworfene Scheibe und die wiederholte Beschädigung einer »gegen Nazis gerichteten Fahne«. Laut Selbstverständnis lehnt das Mittendrin »Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Faschismus und Diskriminierung« ab.

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Auch Jan Henning wohnt in dem ehemaligen Bahnhofsgebäude. Er sagte zu »nd«: »Derlei kleine Angriffe sind quasi zum Standard geworden. Wir stressen uns nicht großartig, sind aber etwas wachsamer geworden.« Sie müssten leider mit weiteren Angriffen rechnen.

Den letzten Angriff hatte das Mittendrin erst im Oktober gemeldet. Sie hätten damals Unterstützungsbekundungen aus der Zivilgesellschaft erhalten, dem Bündnis »Neuruppin bleibt bunt« und der Links- und Grünen-Partei, sagten Henning und Lux. Das Deutsche Rote Kreuz Neuruppin hatte gar einen Ersatz für eine entwendete und mutmaßlich von Rechten verbrannte Regenbogenfahne gespendet. Von der Stadt, die das Projekt finanziell unterstützt, habe es zumindest öffentlich keine Äußerung gegeben. Das Mittendrin ist seit 30 Jahren Teil von Neuruppin.

Im Neuruppiner Stadtgeschehen sei eine neue Generation von Neonazis zu beobachten, die sich bei öffentlichen Anlässen zeige, sagte Lux. Neuruppin stelle aber eine Ausnahme dar: »Es gibt hier selbst keine organisierten neonazistischen Strukturen.« Anders sei es in den benachbarten Wittstock und Rheinsberg, wo die Neonazipartei Der Dritte Weg Niederlassungen habe. In Wittstock kandidierte mit Sandy Ludwig gar ein dem Dritten Weg naher, vorbestrafter Neonazi um das Bürgermeisteramt.

Eine Sprecherin der Polizeidienststelle Neuruppin teilte »nd« mit, dass die Polizei nach Bekanntwerden des Falls über die Pressemitteilung selbstständig Ermittlungen eingeleitet habe. Da der Verdacht bestehe, dass der Angriff politisch motiviert sei, ermittele der Staatsschutz.

Brandenburgweit haben allein die vom Innenministerium registrierten Fälle rechter Gewalt deutlich zugenommen. In der ersten Jahreshälfte 2023 waren 1049 politisch motivierte rechte Straftaten und damit ein Drittel mehr als im Verlgleichszeitraum 2022 verzeichnet worden.

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