Bedrohung durch Rechte in Burg: Lehrer verlassen Schule und Stadt

Landtagsabgeordnete erschüttert angesichts der Ereignisse an der Grund- und Oberschule von Burg im Spreewald

Da habe ein Schüler einem Sportlehrer den Hitlergruß gezeigt. Im Winter seien Hakenkreuze in den Schnee gezeichnet worden. Mitschüler mit Migrationshintergrund seien bedroht worden. Diese Zustände an der Grund- und Oberschule von Burg im Spreewald machten die Lehrer Max Teske und Laura Nickel Ende April öffentlich. Das sorgte für Schlagzeilen. Dieses Jahr sollen sie den »Preis für Zivilcourage gegen Antisemitismus, Rechtsradikalismus und Rassismus« bekommen. Doch jetzt haben sie beantragt, an eine andere Schule versetzt zu werden – auch wegen Anfeindungen aus der rechten Szene, wie Teske am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa bestätigte.

Im Juni hatte Teska erklärt, die Situation habe sich nicht verbessert. Das Kollegium sei gespalten. Lehrkräfte grüßten ihn und Laura Nickel teils nicht mehr. Beide wurden fortwährend bedroht und befürchteten Übergriffe. »Angesichts der fortwährenden Bedrohungen ist der Weggang der Lehrer aus Burg die logische Folge«, reagierte am Donnerstag Joschka Fröschner vom Verein Opferperspektive. »Sie haben großen Mut bewiesen und persönliche Konsequenzen in Kauf genommen, um sich der rechten Landnahme an ihrer Schule entgegenzustellen. Nun steht aber der Selbstschutz und der Schutz ihrer Familien im Vordergrund«, meinte Fröschner. Die Politik müsste sich die Frage stellen, weshalb es nicht gelungen sei, die beiden Lehrer ausreichend zu schützen.

Die Welle an Drohungen und Hetze, die über sie gerollt sei, mache deutlich, dass konsequente Gegenwehr gegen rechte Einstellungen in Burg und im gesamten Landkreis Spree-Neiße notwendig sei, so der Verein Opferperspektive. Der Weggang von Teske und Nickel sei nicht nur ein herber Verlust für die Grund- und Oberschule in Burg, die zwei engagierte Mitarbeiter verliere, die sich für demokratische Werte einsetzten. Auch für den gesamten Ort sei es eine Niederlage. Denn das Problem, das Burg mit Neonazis habe, verschwindet nicht, wenn niemand mehr da sei, dieses Problem zu thematisieren.

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Wenn der Amtsdirektor den Wahrheitsgehalt von Meldungen zu rechten Vorfällen anzweifele und die Landesregierung fast zwei Monate brauche, um auf die Lehrer zuzugehen, »wenn vor Ort keinerlei Konsequenzen zu spüren sind – dann kann es nicht verwundern, dass sich diejenigen, die vor Ort für Demokratie und eine solidarische Gesellschaft kämpfen, alleingelassen fühlen«, sagte Opferberater Fröschner.

Wenig verwunderlich, aber trotzdem erschreckend sei der nun zu vernehmende Jubel aus den Reihen der AfD. Wer, wie der Cottbuser AfD-Kreisvorsitzende Jean-Pascal Hohm, die Versetzungsanträge der Lehrer als Erfolg bezeichne, billige implizit die rechten Gewaltandrohungen und Straftaten, die dem Wunsch nach Versetzung zugrunde liegen, so Fröschner. »Die AfD positioniert sich hier erneut als parlamentarischer Arm der gewaltbereiten extremen Rechten im Land Brandenburg.«

Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) wollte keine Personalangelegenheiten kommentieren. Er beteuerte aber: »Wir haben uns in jeder Hinsicht vor die Kolleginnen und Kollegen gestellt.« Das Schulamt habe sich seit Bekanntwerden der Vorfälle um die Schule gekümmert. Seit April werden nun mehr rechte Vorfälle auch aus anderen Schulen gemeldet. Die meisten neuen Vorkommnisse ereigneten sich im Bereich des Staatlichen Schulamts Cottbus, zu dem auch die Grund- und Oberschule von Burg gehört.

»Es darf nicht ohne Konsequenzen bleiben, dass rechte Strukturen, Propaganda und Angriffe den öffentlichen Raum prägen«, forderte die Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke). Mit Hetz-Stickern, feigen anonymen Instagram-Accounts und Elternbriefen werde eine regelrechte Menschenjagd auf Lehrer eröffnet, die mit Mut und Verantwortungsbewusstsein das tun, was nach Paragraf 4 des Schulgesetzes ihre Aufgabe sei: in der Schule für Werteordnung und die Verfassung einzutreten. Genau das haben Teske und Nickel getan, »und genau dafür laufen sie jetzt Spießruten«, sagte die Abgeordnete, die selbst in Südbrandenburg lebt und von Beruf Lehrerin ist.

Der Versetzungsantrag mache deutlich: »Es reicht nicht, wenn Bildungsminister und Schulämter erklären, dass sie sich theoretisch in jeder Hinsicht vor die Kolleginnen und Kollegen stellen. In Burg hat die Hütte nachweislich schon im April gebrannt. Der Bildungsminister ist mit zwei Monaten Verspätung zum ersten Besuch eingetroffen. Das funktioniert nicht!« Lehrkräfte, die sich Rechtsextremisten offen entgegenstellen, müssten sicher sein können, dass sie geschützt werden. Hier haben das Ministerium und die Schulämter die Verantwortung, sich in allen Bedrohungslagen innerhalb und außerhalb der Schule umgehend vor betroffene Lehrkräfte zu stellen, sagte Dannenberg.

Auch Grünen-Fraktionschefin Petra Budke zeigt sich erschüttert, dass sich die beiden Lehrkräfte aufgrund anhaltender Anfeindungen gezwungen sehen, die Schule und die Stadt zu verlassen. »Das ist ein Alarmsignal«, findet Budke. »Wir haben eine neue Dimension erreicht, wenn Lehrer, die sich mutig gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere Formen der Intoleranz einsetzen, mit solch aggressiven und bedrohlichen Reaktionen konfrontiert werden«, kommentierte der SPD-Landtagsabgeordnete Ludwig Scheetz. Die Antwort des Rechtsstaats müsse unmissverständlich ausfallen. »Es ist verheerend für Brandenburg und schadet allem, was wir mühsam aufgebaut haben«, beurteilt Scheetz die Lage. Nur mit viel Mühe war das Bundesland den in den 90er Jahren erworbenen schlechten Ruf einer Gegend losgeworden, in der Neonazis die Straßen unsicher machen.

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