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1. FC Union: Jubel, Krawall und Jagdszenen in Neapel

Rund um das 1:1 der Berliner in der Champions League beim SSC sorgen beide Fanlager für reichlich Ärger

  • Matthias Koch, Neapel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Erlösung: David Fofana (r.) trifft gegen Neapel zum 1:1.
Die Erlösung: David Fofana (r.) trifft gegen Neapel zum 1:1.

Robin Gosens riss die Arme hoch, Torwart Frederik Rönnow ballte die rechte Faust und Kapitän Christopher Trimmel brüllte vor Freude, ehe sich alle Akteure des 1. FC Union im Strafraum gegenseitig abklatschten. Durch das 1:1 am Mittwochabend vor 42 449 Zuschauern bei der SSC Neapel sind die Berliner zwar vorzeitig aus der Champions League ausgeschieden. Doch die mehr als 2000 mitgereisten Berliner Fans schauten nach dem Abpfiff glücklich aus dem Oberrang in den Innenraum des Stadio Diego Armando Maradona, wo sich ihre Mannschaft an einer Eckfahne versammelt hatte.

Endlich hatte die Horrorserie mit zwölf Niederlagen in Folge ein Ende gefunden. Zudem gab es im vierten Anlauf in der Königsklasse auch den ersten Zähler. »Es ist kein gefühlter Sieg, ich fühle mich aber gut. Ich bin glücklich, dass wir nicht mit leeren Händen dastehen«, sagte Mittelfeldmann Rani Khedira. Mit dem Remis erhielt sich Union auch die Chance, als Gruppendritter in der Europa League zu überwintern.

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Trainer Urs Fischer sprach später davon, dass Union endlich auch einmal das nötige Wettkampfglück gehabt habe. Gegenüber der 0:3-Heimpleite in der Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt baute der Schweizer die Startelf von Union in der Champions League teilweise überraschend auf fünf Positionen um. Für Trimmel und Gosens begannen auf den Außenbahnen der von seiner Verletzung genesene Josip Juranovic und Jerome Roussillon. Abwehrchef Robin Knoche blieb ganz draußen, an seiner Stelle übernahm der italienische Europameister Leonardo Bonucci durchaus gekonnt die defensive Boss-Rolle.

Auch in Neapel mussten die Berliner einem Rückstand hinterherlaufen, Matteo Politano traf in der 39. Minute für die Gastgeber. Doch Union behielt die Nerven. Spätestens als David Fofana einen von Neapels Torwart Alex Meret abgewehrten Ball von Sheraldo Becker in der 52. Minute zum 1:1 im Tor versenkte, kamen die Eisernen ins Laufen. Beide Seiten hatten noch Chancen zum Sieg. Jubel löste das Endergebnis aber nur bei Union aus.

Weniger schön waren die Begleiterscheinungen der Partie. Wie schon beim Debüt in der Champions League bei Real Madrid fehlten Unions Ultras im Gästeblock. Diesmal hatte dies aber nichts mit durch die Polizei verbotenen Bannern zu tun. Ein Großteil der organisierten Fanszene war nach Ausschreitungen in der Nacht zuvor der Stadt verwiesen worden. Elf Personen nahm die italienische Polizei fest, nachdem es in der Innenstadt zu Krawallen gekommen war. Videos zeigen, wie Union-Anhänger Uniformierte mit Pyrotechnik attackierten. Das überraschte sowohl die in der Nähe befindlichen Napoli-Ultras als auch die Polizei. »Die Zusammenstöße mit den Einsatzkräften wurden von den deutschen Fans regelrecht gesucht«, sagte Neapels Polizeipräsident Maurizio Agricola.

Beamte durchsuchten daraufhin mehrere Hotels von Union-Ultras, die wohl erneut »Unterstützung« von Mönchengladbachern und Cottbuser Fußballfans erhielten. Letztlich verfielen damit erneut sinnlos Hunderte der raren Gästetickets. Das regt die »normalen« Fans auf. Mit Sanktionen durch die Vereinsführung braucht die Szene aber nicht zu rechnen. Selbst nach Vorkommnissen wie in der Europa League im Oktober 2022 gegen Malmö FF gab es keine. Es habe niemand ermittelt werden können, sagte Präsident Dirk Zingler erst kürzlich dazu.

Vergiftet war die Stimmung dann auch im Stadion und drumherum. Weil neapolitanische Fans auf Straßen und in Gassen teilweise auf Motorrollern Jagd auf Unioner machten, setzte die Polizei am Spieltag noch strikter auf Fantrennung. So wurde der eigentliche Treffpunkt der Berliner an der von der Polizei gesicherten Piazza Municipio an den rund 300 Meter entfernten Hafen verlegt, in einen abgesperrten Bereich. Von dort aus ging es am Nachmittag in neun Shuttle-Bussen zum Stadion. Vorher machte die Polizei noch von allen Mitfahrern Fotos mit Pass und Eintrittskarte. Hin- und Rückfahrt dauerten jeweils zwei Stunden, weil der Konvoi mit Polizeieskorte um die Stadt herumgeleitet wurde.

Während des Spiels feuerten Ultras von Neapel neun ohrenbetäubende Böller und einen Bengalo in Richtung des Gästeblocks. Den Stadionsprecher und die Ordner interessierte das zunächst wenig. Nach dem Abpfiff mussten die Union-Fans noch eine Stunde im Block verharren. Aber immerhin hatten sie mal wieder etwas zu feiern: den ersten Punktgewinn seit August und das erste Tor nach fünf Spielen.

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