Nächstes Kapitel im Berliner Ausverkauf

Mietshaus an Investor veräußert. Senat könnte Hausgemeinschaft noch retten

Das Eckhaus an der Mecklenburgischen Straße. Seine Zukunft hängt von einem Zuschuss des Senats ab.
Das Eckhaus an der Mecklenburgischen Straße. Seine Zukunft hängt von einem Zuschuss des Senats ab.

Die politische Sprengkraft der Mietenfrage in Berlin ist nie größer gewesen. Das versucht die Wohngemeinschaft des Hauses an der Mecklenburgischen Straße 89, Ecke Aachener Straße 1 (Meckaach) zu verdeutlichen. Ihr Haus wurde an einen Schweizer Investor verkauft. Dem Land Berlin bleibt noch bis zum 22. November Zeit, den Verkauf abzuwenden.

»Nichts rechtfertigt das Kreuz bei einer rechtsextremen Partei«, sagen Sprecher*innen der Meckaach am Samstag bei einer Kundgebung zur Rettung ihres Hauses. Doch die Politik müsse die Argumente dafür liefern, sich ihrer sozialpolitischen Verantwortung stellen, denn: »Wirtschaftliche Unsicherheit macht viele empfänglich für rechte Kräfte«, heißt es im Redebeitrag der Hausgemeinschaft. Sie versteht den Kampf um ihr Haus – sofern sie ihn denn gewinnt – als soziale Vorsorge, als demokratiestärkenden Prozess.

Fragt man die Mieter*innen der Meckaach, so ist der neue Eigentümer eine der vielen in Deutschlad tätigen Bobbes-Gesellschaften. Die Meckaach erfuhr per Briefpost vom Bezirksamt vom Verkauf ihres Hauses. Hinter den Bobbes-Firmen steht eine in Luxemburg sitzende Beteiligungsgesellschaft, zu der unter anderem Unternehmen der Schweizer Bluerock-Gruppe gehören.

Bluerock-Mitgründer Ronny Pifko sagt zu »nd«, dass er das Haus aber unabhängig von seinen Unternehmen privat erworben habe. Weiter wollte er sich nicht äußern. Nur so viel: »Wenn das Vorkaufsrecht zum Einsatz kommt, kann ich selbst nichts machen.« Ob er denn bereit wäre, in solch einem Fall eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichen, wollte er nicht sagen.

Unter der Voraussetzung gravierender städtebaulicher Mängel haben Berliner Bezirke für Hauskäufe in Milieuschutzgebieten ein Vorkaufsrecht. Die Bezirke, finanzschwach und nicht in der Lage, Wohnraum zu verwalten, kaufen dann in der Regel zugunsten von Dritten: landeseigenen Wohnungsellschaften, Genossenschaften oder Stiftungen. Der ursprüngliche Käufer kann allerdings den Vorkauf abwenden, wenn er sich bereit erklärt, eine Abwendungsvereinbarung mit spezifischen Maßnahmen zum Schutz von Liegenschaft und Mieter*innen zu unterschreiben.

Im Fall der Meckaach liegt der Ball nun beim Senat. In der Bezirksverordnetenversammlung hatten die Fraktionen von Linke bis CDU beschlossen, das Vorkaufsrecht anzuwenden. Die Bauaufsicht hatte die nötigen Mängel festgestellt, anders als noch bei einem anderen, ebenfalls von Pifko erworbenen Haus in der Weddinger Seestraße 110. Und die landeseigene Gesobau scheint gewillt, das Objekt zu übernehmen.

Es fehlt einzig der Zuschuss des Senats. Und der sperrt sich hier bisher. »Im vorliegenden Fall überschreitet der erforderliche Zuschussbedarf aufgrund des hohen Kaufpreises und der notwendigen Sanierungskosten die gängigen Zuschussgrenzen in so erheblichem Maße, dass die Maßgabe einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung nicht gegeben wäre«, sagte eine Sprecherin des Finanzsenats dem »nd«.

Bereits im Zuge des erfolgreichen Vorkaufs eines Mietshauses in der Neuköllner Weichselstraße 52 hatte Bausenator Christian Gaebler (SPD) gesagt: »Das aktuell sehr stark beschränkte Vorkaufsrecht macht die Ausübung schwierig und bleibt wegen der Herausforderung bei der Wirtschaftlichkeit auf wenige Fälle begrenzt.« Zur Meckaach hat sich der Bausenator bisher nicht geäußert. Eine Sprecherin verwies auf nd-Anfrage auf die Zuständigkeit des Finanzsenats. Mehrere Quellen bezifferten gegenüber »nd« den Kaufpreis auf 6,5 Millionen Euro und die angenommenen Sanierungskosten auf 4,3 Millionen Euro.

Die Mieter*innen beklagen, dass sie vom Senat so lange im Ungewissen gelassen werden. De facto seien sie abhängig vom Senat, sagt Jörg, einer von ihnen. Sie hätten viel gemacht als Hausgemeinschaft und gerne auch versucht, Genossenschaften oder Stiftungen für den Kauf zu gewinnen. Aber das sei in der kurzen Frist nicht zu machen gewesen.

Seit 1981 wohnt Busfahrer Jörg in der Meckaach. »Ich bin schwer beeindruckt von meiner Hausgemeinschaft, viele Leute ergeben sich ja«, sagt er. Ihm sei bewusst, dass es nicht so bleiben werde, wie es ist, und das sei auch okay. Aber beim Blick in den Katalog von Bobbes und Bluerock werde ihm mulmig. Über 120 Häuser aus der Gründerzeit hätten die in ihrem Bestand und die seien luxussaniert. »Wenn wir hier rausgehen, wo sollen wir denn dann hin?«, fragt er und fügt hinzu: »Wir sind kein Investorenfutter!«

Zum Haus gehören 31 Wohnungen und sechs Gewerbeeinheiten, darunter eine Kiezkneipe, eine Gerüstbaufirma und ein persischer Imbiss. Bis auf die Gemeinschaftsflächen haben die Mieter*innen mit eigenen Sanierungsarbeiten ihre vier Wände weitestgehend selbst erhalten. Jörg installierte Waschbecken und Toilette selbst. Um die Meckaach zu unterstützen, sind rund 100 Menschen zu der Kundgebung gekommen.

Für Vorkäufe waren im Landeshaushalt eigentlich mal 70 Millionen Euro vorgesehen. Diese Gelder sind laut Finanzverwaltung aber nicht mehr verfügbar. Es ist weitestgehend unklar, wohin sie geflossen sind. »Ich werde mich innerhalb der Koalition darüber erkundigen, was damit passiert ist«, sagt Sevim Aydin, mietenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, am Rande der Kundgebung zu »nd«. Sie verweist außerdem darauf, dass eine bundespolitische Neuregelung des Vorkaufs notwendig sei. Wenn gegenwärtig der Marktwert aufgewendet werden muss, um Vorkäufe auszuüben, sei das eine Unterstützung von Spekulation durch Steuermittel.

Bis ein Bundesgesetz verabschiedet ist, sollte es für die Meckaach zu spät sein. Die Bewohner*innen betonen, dass es letztlich der politische Wille sei, der über ihre Fortexistenz entscheide.

Ganz ähnlich, nur etwas verklausuliert, antwortet so auch die Finanzverwaltung auf eine Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger (Grüne). Auch wenn für Vorkäufe kein Extratopf mehr vorhanden sei, könne »im Rahmen von Prioritätensetzung und bei Notwendigkeit weiterer Finanzierungszusagen vom zuständigen Ressort über die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln im Rahmen der Haushaltswirtschaft entschieden werden«.

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