Drüben bleiben: USA weist Asylsuchende an der Südgrenze zurück

Zentrale Teile der unter Donald Trump erlassenen Asylregeln gelten noch. So wälzen die US-Behörden Schutzsuchende auf den Nachbarn Mexiko ab.

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir baden im Rio Bravo, obwohl das Wasser verschmutzt sein soll«, so Edith Waldan gegenüber dem US-Fernsehsender PBS. »Wir haben Hunger und sind der Hitze ausgeliefert. Wir leiden, aber es gibt keine Alternative dazu«.

Die 29-jährige Asylsuchende aus Honduras lebt in einer ausufernden Zeltstadt in Matamoros in Mexiko, unweit der Grenzbrücke über den Fluss nach Brownsville, Texas. Der Grund, warum sie hier festsetzt, sind die restriktiven Asylregeln, die dort gelten. Wie schon die Regierung von Donald Trump versucht auch die von Joe Biden, möglichst viele Schutzsuchende aus dem Land fernzuhalten und sie lieber jenseits der Grenze ausharren zu lassen. Die Protokolle haben unterschiedliche Namen und weichen in Details voneinander ab, doch der Grundgedanke ist derselbe: Die Leute sollen in Mexiko bleiben.

Das im Januar 2019 unter Donald Trump eingeführte »Migrantenschutzprotokoll« für die Südgrenze war deshalb auch unter der Bezeichnung »Remain in Mexico« bekannt. Asylsuchende wurden nach der Antragstellung zurück ins Nachbarland gebracht, wo sie bis zum Verhandlungstermin bleiben mussten. Doch auf der südlichen Seite der Grenze gibt es kaum Infrastruktur für die Menschen. Die Situation hat sich über die Jahre stetig verschlimmert.

Bereits zuvor hatten die Praktiken der US-Regierung für Kritik gesorgt. 2018 entschied Justizminister Jeff Sessions, dass geschlechtsspezifische Gewalt und Bedrohung durch Drogengangs, die in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern zum Teil wie paramilitärische Organisationen auftreten, keinen validen Asylgrund darstelle. Ein Bundesrichter kippte die Entscheidung, die laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dazu führte, dass Asylsuchende in »schlecht vorbereitete, gefährliche mexikanische Grenzstädte« abgewiesen wurden. »Remain in Mexico« war auch eine Reaktion der Trump-Regierung auf diese Entscheidung: Die Asylanträge wurden nicht mehr formal verwehrt, doch praktisch änderte sich an der Grenze wenig. Zehntausende wurden zurückgebracht und landeten in den Zeltstädten. Zwar gibt es auch offizielle Geflüchtetenunterkünfte, doch viele meiden sie, wie der Sender PBS bereichtet. Die Menschen fürchten sich davor, von der mexikanischen Regierung in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden.

Ein halbes Jahr später, im Juli 2021, kam die Regel hinzu, dass Schutzsuchende aus Drittstaaten an der Südgrenze kein Asyl erhalten sollten, wenn sie nicht bereits zuvor in Transitländern – also in erster Linie in Mexiko – einen erfolglosen Asylantrag gestellt hatten. Den allermeisten Menschen aus der Karibik sowie aus Süd- und Mittelamerika wurde damit der Weg in die USA versperrt. Zusammen mit den mit den als »Title 42« bekannten Coronaregeln bedeutete dies, dass sie nicht nur kaum mehr Aussicht auf Bleiberecht in den USA hatten, sondern auch per Schnellverfahren wieder nach Mexiko abgeschoben werden konnten.

Ursprünglich wollte die Regierung von Joe Biden von diesen Verfahren wieder abrücken. Nach langen juristischen Auseinandersetzungen entschied der Oberste Gerichtshof im Juni 2022, dass die Protokolle beendet werden könnten. Doch im Mai dieses Jahres, bevor die Grenze wieder öffnen konnte, wurde die Drittstaatenregelung von Biden wiederbelebt. Ausnahmen gibt es lediglich für unbegleitete Minderjährige und einige andere Gruppen. Die Menschenrechtsorganisation American Civil Liberties Union klagt gegen die Vorschriften, eine Entscheidung des zuständigen Bundesgerichts in Pasadena in Kalifornien wird bald erwartet.

Die US-Regierung scheint entschlossen zu sein, das Problem der Migration auf das wesentlich ärmere südliche Nachbarland abzuwälzen. Biden ist vor der permanenten Hetzte der Rechten gegen Migranten offenbar eingeknickt. Führende Mitglieder seiner Partei bedauern dies.

»Im Wahlkampf 2020 hat Joe Biden mit einer unglaublichen moralischen Klarheit über diese Probleme gesprochen«, so der ehemalige Kongressabgeordnete Beto O’Rourke aus Texas bei einer Podiumsdiskussion an der Harvard Kennedy School. »Das hat mich damals sehr inspiriert«. Doch O’Rourke wurde – wie viele andere – enttäuscht. Der Ex-Politiker nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht von einer »Asylsperre«. In diesem Jahre seien mehr Migrantinnen und Migranten gestorben als jemals zuvor». «Die Menschen ertrinken oder verdursten in der Wüste», so O'Rouke. Weil die legalen Fluchtwege in die USA weiter versperrt seien, bliebe ihnen keine andere Wahl, als ihr Leben auf Spiel zu setzen.

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