Heimstaden in Berlin: Die Welle der Mieterhöhungen brechen

Heimstaden-Mieter werfen Wohnungskonzern vor, absichtlich falsche Mieterhöhungen zu verschicken

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Heimstaden kaum zu stoppen: Seit dieser Demonstration 2020 hat sich der Konzern Tausende Wohnungen und immer mehr Geld seiner Mieter unter die Nägel gerissen.
Heimstaden kaum zu stoppen: Seit dieser Demonstration 2020 hat sich der Konzern Tausende Wohnungen und immer mehr Geld seiner Mieter unter die Nägel gerissen.

Es war durchaus ein kleiner Kraftakt für die Mieter von Heimstaden: Fast 20 000 Flyer haben sie in den vergangenen Wochen in nahezu alle Briefkästen von Wohnungen gesteckt, die dem schwedischen Immobilienkonzern in Berlin gehören. »Vorsicht: Viele Mieterhöhungsverlangen weisen Fehler auf«, steht auf ihnen. Dass es sich um viele handelt, könnte dabei vielleicht noch untertrieben sein.

»Die Erhöhungen nach dem Mietspiegel waren alle fehlerhaft. Eine richtige habe ich noch nicht gesehen«, sagt Marc Meyer, Rechtsanwalt beim Hamburger Mieterverein »Mieter helfen Mietern«. Von systematisch verschickten unzulässigen Mieterhöhungsverlangen berichtet auch der Berliner Mieterverein. Mindestens jede zweite sei fehlerhaft. Davon, dass diese »vielleicht mit Kalkül« zugestellt wurden, spricht dessen Geschäftsführerin Wiebke Werner.

Am Dienstag haben Mieter von Heimstaden und deren Mietervereine in beiden Städten zur Pressekonferenz eingeladen. Nachdem der schwedische Immobilienkonzern im September ankündigte, die Mieten von 6500 Wohnungen erhöhen zu wollen, flattern Mietern in Berlin und Hamburg teils horrende Forderungen ins Haus.

Dabei habe das Unternehmen eine Reihe von Fehlern gemacht. »Wir haben dieses Jahr im September eine Mieterhöhung bekommen, die lag weit über der Kappungsgrenze«, erklärt Steffen, der in einem Straßenzug in Berlin wohnt, wo Heimstaden über ein Dutzend Häuser gehören. In angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin oder Hamburg darf die Miete in drei Jahren höchstens um 15 Prozent erhöht werden. Steffen stimmte der Erhöhung nicht zu. Heimstaden wiederum entschuldigte sich für unzulässige Mieterhöhungen und reduzierte das Mieterhöhungsverlangen auf die gesetzlich zulässige Höhe. Der Fehler sei durch die Umstellung des IT-Systems entstanden, heißt es.

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Heimstaden-Mieter Steffen berichtet, dass er ältere Mieterinnen in seiner Straße getroffen habe, die drauf und dran waren, ihre Mieterhöhung zu unterschreiben. »Wären wir da nicht aktiv geworden, hätten wir genau den Fall, dass überhöhten Forderungen zugestimmt wird«, sagt er. Genau das sei auch die Strategie von Heimstaden, heißt es am Dienstag immer wieder: Viele würden, ob aus Angst vor Ärger mit dem Vermieter oder Unwissen, den ungerechtfertigten Erhöhungen einfach zustimmen.

»Den Vorwurf der Absicht möchte ich ganz klar zurückweisen«, so Heimstaden-Sprecher Michael Lippitsch zu »nd«. Bei den missachteten Kappungsgrenzen habe es sich um »mehrere Hundert Fälle« gehandelt. »Wenn wir Fehler identifiziert haben, haben wir sie korrigiert, unabhängig vom Status der Zustimmung«, sagt Lippitsch.

Lippitsch sagt auch, er finde es insgesamt »schade«, dass der Berliner Mieterverein inzwischen »ausschließlich auf Konfrontation setzt und kein Interesse an einem Dialog mit privaten Wohnungsunternehmen zeigt«. »Sie hätte uns auch für ein klärendes Gespräch anrufen können, stattdessen kommuniziert sie lieber über die Medien.«

Dialog: Dafür steht auch das Berliner Wohnungsbündnis. In diesem wurde eigentlich vereinbart, dass sich die Unterzeichner an eine Kappungsgrenze von elf Prozent halten. Das Unternehmen Covivio, dessen Dachverband der Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen (BBU) Mitglied im Wohnungsbündnis ist, hatte nach Kritik Mieterhöhungen zurückgenommen, bei denen die Grenze von elf Prozent überschritten wird.

Heimstaden ist kein Mitglied des Wohnungsbündnisses, dafür aber beim Dachverband Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), der wiederum mit Einschränkung die Bündnisvereinbarung unterzeichnet hat. Doch wie auch der Adler-Konzern fühlt sich Heimstaden nicht an die Zusage des Dachverbands gebunden.

Probleme gibt es nicht nur bei der Einhaltung der Kappungsgrenze. Auch bei der Erhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete im Rahmen des Mietspiegels scheint Heimstaden mitunter mehr als erlaubt zu verlangen. Der Mietspiegel ist in Form einer Tabelle aufgebaut, je nach Ausstattung und Lage gibt es unterschiedliche Vergleichsmieten. Die Mietervereine in Hamburg und Berlin kritisieren, dass in zahlreichen Fällen Wohnungen den falschen Tabellenwerten zugeordnet worden sind, um so größere Erhöhungen geltend machen zu können.

Auch Fälle, bei denen Bruttokaltmietverträge zu Nettokaltmietverträgen mit einer Erhöhung werden sollen, berichten Mieter. Ebenfalls sollen Indexmieterhöhungen ausgesprochen worden sein, obwohl die Mieter einen Staffelmietvertrag haben. Die eindringliche Warnung von Mieterschützern am Dienstag: Bei jedem Mieterhöhungsschreiben sollten sich die Mieter beraten lassen.

Heimstaden ist seit 2020 auf dem Berliner Wohnungsmarkt aktiv. Auf 5000 Wohnungen wuchs zunächst sein Bestand. Als im September 2021 eine Mehrheit der Berliner für die Vergesellschaftung der Bestände großer privater Wohnungsunternehmen stimmte, teilte Heimstaden mit, über 17 600 Wohnungen von Akelius zu übernehmen. 14 000 davon liegen in Berlin, 3600 in Hamburg. Damit stieg Heimstaden hinter Deutsche Wohnen und Vonovia zu den größten privaten Konzernen in der Bundeshauptstadt auf. »Der hohen Verantwortung, die dieser Wachstumsschritt mit sich bringt, sind wir uns bewusst«, sagte die damalige Deutschland-Chefin von Heimstaden bei Verkündung des Deals.

Verantwortungsvoll? Das Wort fällt Mietern nicht zu Heimstaden ein. »Wir haben gedacht, Akelius war schon schlimm, Heimstaden setzt dem Ganzen aber die Krone auf«, sagt Christina Zeh, Mieterin des Konzerns in Hamburg-Ottensen. Akelius hätte nicht so stetig Mieten erhöht, Heimstaden hingegen würde jede Gelegenheit ausschöpfen, sagt die Altmieterin, die bereits in ihrer Wohnung gewohnt hat, bevor diese Akelius und dann Heimstaden gekauft hat.

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