Biden trifft Xi: Forum der Deglobalisierung

Beim Gipfel der Pazifik-Anrainerstaaten träumt kaum noch jemand von einem umfassenden Freihandelsabkommen.

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 5 Min.
Gegen ein Freihandelsabkommen für den Pazifikraum gibt es große Vorbehalte, auch in den USA: Demonstration am vergangenen Sonntag in San Francisco.
Gegen ein Freihandelsabkommen für den Pazifikraum gibt es große Vorbehalte, auch in den USA: Demonstration am vergangenen Sonntag in San Francisco.

Lange Zeit war spekuliert worden, ob Xi Jinping und Joe Biden am Rand des Asien-Pazifik-Forums (Apec) in San Francisco zusammentreffen würden. Nun steht fest, dass die Präsidenten Chinas und der USA am Mittwoch am Rande des Gipfels miteinander sprechen werden. Seit Jahren befinden sich die Beziehungen zwischen den größten Volkswirtschaften der Welt im Sinkflug. Und obwohl das Weiße Haus in vielen Konfliktpunkten unnachgiebig bleibt, ist man zumindest bemüht, den Dialog mit Peking aufrechtzuerhalten, wie die Parade hochrangiger US-Vertreter zeigt, die sich in den letzten Monaten auf diplomatische Mission nach China begeben haben.

Ursprünglich wurde das Forum der Pazifik-Anrainerstaaten 1989 gegründet, um Handelsbarrieren abzubauen. Doch zum Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens für die Region ist es bisher noch nicht gekommen. US-Präsident Barack Obama hatte einst dafür die Grundlagen geschaffen. Die von ihm vorbereitete Transpazifische Partnerschaft (TPP) sollte auch der Einhegung Chinas dienen und damit zu einer Art Meisterstück seiner Präsidentschaft werden, die durch eine deutlich aggressivere Haltung gegenüber der Volksrepublik gekennzeichnet war. Hillary Clinton warb im Wahlkampf erst für das Abkommen für den Pazifikraum, um die Forderung einen Monat vor ihrer Wahlniederlage fallen zu lassen – zu groß waren die Vorbehalte vor allem in den postindustriellen Regionen der USA, wo die Auswirkungen der Nafta-Verträge mit Kanada und Mexiko aus den 1990er Jahren noch immer zu spüren sind.

Auch beim Gipfel in San Fancisco wird die US-Regierung deshalb – anders als ursprünglich geplant – keine neue Handelsvereinbarung mit den Pazifikstaaten präsentieren. Finanzministerin Janet Yellen begründete dies am Montag damit, der Entwurf »brauche noch Arbeit«. Eigentlich wollten die USA dort unter dem Titel »Indopazifische Wirtschaftsrahmenvereinbarung für Wohlstand« (Ipef) Vereinbarungen über eine Art »TPP light« vorstellen – doch der US-Kongress sträubt sich. Senatoren wie der Demokrat Sherrod Brown aus Ohio, der im nächsten Herbst zur Wiederwahl antritt und als extrem angreifbar gilt, wollen von neuen Handelsverträgen derzeit nichts wissen. Brown fordert, die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern müssten stärker geschützt werden. »Jedes Handelsabkommen, das keine einklagbaren Arbeitsstandards enthält, ist inakzeptabel«, so der Senator, der als gewerkschaftsnah gilt.

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Freihandel ist in Washington ohnehin aus der Mode gekommen – vor allem, wenn es um geopolitische Rivalen wie China geht. Statt von »Offshoring« sprechen US-Politiker heute gerne von »Friendshoring« – also der Verlagerung von Produktionsketten in verbündete Staaten – als Zielvorstellung. Unter diesem Gesichtspunkt sieht man Abkommen wie Ipef in Peking naturgemäß kritisch. Von einer »ökonomischen Nato« spricht man dort. Länder wie Vietnam werden zunehmend zu Alternativstandorten, während die ausländischen Investitionen in China stark rückläufig sind.

Doch auch ohne eine Einigung zum neuen Handelsabkommen zwischen Chinas Nachbarn und den USA werden zwischen Xi und Biden viele Differenzen bestehen. Die Erwartungen an das Treffen werden deshalb von beiden Seiten eher heruntergespielt. Das größte Eskalationspotenzial besteht sicherlich in der Taiwan-Frage. In Washington betont man, dass man keine Änderung am Status quo will und an der Ein-China-Politik festhält. Beim Treffen zwischen Biden und Xi im vergangenen November hatte der chinesische Staatspräsident dies als »rote Linie« bezeichnet. Auf der selbstverwalteten Insel finden im Januar Präsidentschaftswahlen statt.

Anders als in der Vergangenheit schließt China eine Wiedervereinigung mit militärischen Mitteln seit einigen Jahren nicht mehr aus. In Washington sorgt dies für Unruhe, manche Militärstrategen sprechen von einem unausweichlichen Krieg. Neue Rüstungsprojekte wie der Tarnkappenbomber B-21 richten sich klar gegen die Volksrepublik und sollen die Vormachtstellung der USA im Pazifikraum zementieren.

Nachdem die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im August 2022 nach Taipeh reiste, brach die chinesische Seite die militärische Kommunikation mit den USA ab – die Hoffnung besteht, dass sich Xi und Biden nun auf eine Wiederaufnahme einigen können.

Auch Konflikte in anderen Regionen der Welt werden zwischen Biden und Xi Thema sein. Insbesondere hofft man in Washington, China könne auf den Iran einwirken, um eine Ausweitung des Nahostkonflikts auf Nachbarstaaten und die Golfregion zu verhindern. US-Truppen waren in den vergangenen Wochen dort immer wieder attackiert worden, US-Luftangriffe auf mit dem Iran verbündete Gruppen folgten. Der Iran gilt als wichtiger Alliierter der Hamas. China ist für den Iran ein bedeutender Absatzmarkt für Öl.

Doch nicht nur die militärische Rivalität zwischen den Großmächten sorgt für Streit: China ist vor allem erbost über die Ausfuhrbeschränkungen für Elektroniktechnologie aus den USA, die diese Woche nochmals verschärft werden. Washington betont, die Maßnahmen dienten der nationalen Sicherheit, in Peking sieht man darin eine Sabotage der eigenen Wirtschaft.

Biden will Xi auch davon überzeugen, bei der Bekämpfung von Drogenschmuggel enger zu kooperieren. Laut dem Nationalen Institut für Drogenmissbrauch hat sich die Zahl der Drogentoten in den USA seit 2015 verdoppelt. Vor allem dort, wo ökonomische Perspektiven fehlen, nimmt das Problem der Abhängigkeit von Schmerzmitteln wie Fentanyl besorgniserregende Ausmaße an, die Politik steht unter Druck. China gilt als Hauptquelle für den Schwarzmarkt. Laut eines im September veröffentlichten Berichts des Wissenschaftlichen Diensts des US-Kongresses hat der direkte Schmuggel in die USA aber abgenommen, seitdem die Volksrepublik die Kontrollen verschärft hat. Stattdessen finden die Drogen oft den Umweg über Mexiko.

Immerhin gibt es in bestimmten Teilbereichen der Zusammenarbeit Fortschritte: Diplomatische Gespräche zwischen den USA und China zum Thema Klimaschutz im Vorfeld des Gipfels in San Francisco hätten »positive Resultate« erbracht, erklärte das chinesische Umweltministerium. Beim Gipfel soll eine neue bilaterale Klimavereinbarung zwischen beiden Ländern vorgestellt werden.

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