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Goodyear sagt Goodbye: Keine Reifen mehr aus Fürstenwalde

US-Konzern will 750 Stellen streichen, Gewerkschaft kritisiert »Gewinnmaximierung«

Bei einem ostbrandenburgischen Traditionsbetrieb, der mittlerweile zum US-Konzern Goodyear gehört, stehen 750 Arbeitsplätze auf der Kippe. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Goodyear beabsichtigt, die Reifenproduktion am Standort Fürstenwalde bis 2027 einzustellen.

»Dies ist eine schwierige, aber notwendige Entscheidung, um Überkapazitäten zu reduzieren und unsere Produktionsstruktur mit der Nachfrage in Einklang zu
bringen«, heißt es in einer Presseerklärung des Konzerns. Laut Nachrichtenagentur dpa sieht sich Goodyear zudem mit einem weiterhin hohen Inflationsdruck und der Konkurrenz durch Billigimporte aus Asien konfrontiert.

»Die Belegschaft ist einfach schockiert«, sagte der Betriebsratvorsitzende Peter Weiser am Donnerstag dem Sender RBB. Er verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung für die Region. Rolf Erler, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sprach ebenfalls von einer »drastischen Hiobsbotschaft«, auch wenn schlechte Nachrichten schon zu befürchten gewesen seien.

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Versäumnisse sieht die IG BCE auf Seiten des Konzerns: »Zu wenig wurde für den Erhalt des Standortes und sichere Perspektiven in der Reifenindustrie getan.« Insbesondere sei unverständlich, warum keine nachhaltige Kooperation mit der 2022 in Grünheide eröffneten Tesla-Autofabrik eingegangen worden sei. Sie liegt nur 20 Autominuten von Fürstenwalde entfernt. »Man hätte quasi die Reifen rüberrollen können«, heißt es von der Gewerkschaft. Und es gibt weitere Verbindungen zwischen den beiden Firmen: So ist Tesla-Werksdirektor Erik Demmler lange in der Personalverantwortung bei Goodyear in Fulda und auch in Fürstenwalde tätig gewesen.

Die Gewerkschaft betonte, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Goodyear betreibe »Gewinnmaximierung«. Stattdessen erwarte man »in wirtschaftlich herausfordernder Zeit mehr Engagement für die Beschäftigten und deutschen Standorte«. Auch die Politik sei gefragt. Am 24. November ist ein Aktionstag vor dem Bundesfinanzministerium in Berlin geplant. Eine nächste Betriebsversammlung ist für den 23. November angekündigt.

Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (beide SPD) erklärten, unverzüglich mit Goodyear Kontakt aufnehmen zu wollen, um Möglichkeiten für den Erhalt der Jobs auszuloten. Solche Gespräche forderte auch Linksfraktionschef Sebastian Walter. »Die Beschäftigten dürfen nicht für die verfehlte Managementpolitik und die zum Teil verschlafene Modernisierung mit ihrer Existenz bezahlen«, erklärte er. Goodyear sei ein Beispiel für eine Schieflage bei der industriellen Basis in Brandenburg. Es brauche eine Strukturpolitik, »die nicht nur auf große Überschriften setzt, sondern Existenzen konkret sichert«. Für das hessische Fulda ist ein Produktionsstopp bereits für das Jahr 2025 angekündigt. Dort geht es um 1050 Arbeitsplätze.

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