Landesparteitag SPD Brandenburg: Selbstherrliche Abschiebe-Partei

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke als Landesparteichef bestätigt

Am Vorabend hat es geschneit. Auf den Bürgersteigen in Schönefeld ist es glatt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kann auf dem Weg zum SPD-Landesparteitag im Hotel »Holiday Inn« allerdings nicht ausrutschen. Denn er wird ja in einer Staatskarosse vorgefahren. Abgerutscht sind jedoch die Umfragewerte. Zehn Monate vor der nächsten Landtagswahl liegt die SPD in den Prognosen zwischen fünf und zwölf Prozentpunkte hinter der AfD zurück.

Doch seit 1990 hat die SPD noch jede Landtagswahl in Brandenburg gewonnen. Sie kann und will sich inzwischen etwas anderes als einen erneuten Sieg nicht mehr vorstellen. »Glück auf! Alles, alles Gute. Wir werden es nächstes Jahr schaffen«, macht Ministerpräsident Woidke seinen Genossen am Samstag Mut. »Die Menschen stehen nächstes Jahr vor der Wahl: Lassen sie dieses Land in guten Händen?« In schwierigen Zeiten brauche es politische Stabilität.

Schwierig scheint der Politiker die Zeiten aber nur zu nennen, um seine Erfolge umso besser herausstreichen zu können: Sechs Prozent Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr, die PCK-Raffinerie in Schwedt trotz aller Unkenrufe zu 80 Prozent ausgelastet und für das Werk des dänischen Windradherstellers Vestas, der sich aus Lauchhammer zurückzieht, einen chinesischen Batteriehersteller als Ersatz gefunden, der mehr Jobs schaffen wolle als mit Vestas gehen. Dietmar Woidke fordert die Delegierten auf: »Geht raus, sagt es den Menschen: Das hat die SPD gemacht!« Wenn ein Erfolg wie mehr Bahnverbindungen in das Ressort des seit Ende 2019 von der CDU geleiteten Infrastrukturministeriums fällt, dann reklamiert ihn Woidke trotzdem für die Sozialdemokraten, weil die alte Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) das 2018 noch in die Wege geleitet habe. Damit sich Woidke nicht allein loben muss, tut es in Schönefeld auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

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Am Freitag wurde Woidke mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. »Das Bundesverdienstkreuz darf nicht zur Beliebigkeit verkommen«, schimpfte postwendend die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin. Dann ätzte sie: »Oder soll der Orden heute – analog zur goldenen Uhr zum Karriereende – das Ende der Ära der märkischen SPD-Genossen einläuten, bevor Woidke sich dann nach der Landtagswahl im kommenden Herbst unausweichlich und endgültig vom Amt des Ministerpräsidenten verabschieden muss?«

Zunächst lässt sich Woidke als SPD-Landesvorsitzender bestätigen. Er will in dieser Funktion, die er bereits seit zehn Jahren innehat, alles für einen Sieg seiner SPD bei der Landtagswahl am 22. September 2024 tun. Woidke erhält beim Parteitag in Schönefeld 90,8 Prozent der Stimmen. Als das um 12.41 Uhr verkündet wird, erheben sich die Delegierten und spenden ihrem Landesvorsitzenden rythmisch Beifall. Er wertet das Ergebnis als »großes Signal der Geschlossenheit, aber auch der Entschlossenheit«. Generalsekretär bleibt David Kolesnyk (72,7 Prozent), stellvertretende Vorsitzende bleiben Finanzministerin Katrin Lange (84,2 Prozent) und Veltens Bürgermeisterin Ines Hübner (80,5 Prozent).

Die AfD sei offen rechtsextrem, warnt Woidke. Er bekennt sich aber in einer Weise zu Abschiebungen, die zumindest entfernt an die Parolen der AfD erinnert. So behauptet er: »Wer das Asylrecht sichern will, muss den Missbrauch des Asylrechts bekämpfen.« Und: »Es kann nicht sein, dass kriminelle Organisationen, Schlepper-Organisationen, darüber entscheiden, wer in Brandenburg Asyl erhält.« Außerdem droht Woidke Palästinensern und Muslimen mit antiisraelischer Haltung: Wer den Staat Israel beseitigen wolle, »der hat hier nichts zu suchen«.

Zuvor hat Kanzler Scholz in Schönefeld noch erinnert, wie Schiffe mit jüdischen Flüchtlingen in der Nazizeit in Amerika keinen Hafen fanden, in dem die verfolgten Menschen an Land gehen konnten. Zurückgekehrt nach Europa wurden viele dieser Juden von den Faschisten ermordet. »Das Grundrecht auf Asyl verteidigen Sozialdemokraten mit besonderem Bewusstsein um diese Geschichte«, beteuert Scholz. Aber er spricht sich dennoch dafür aus, »unproblematisch und pragmatisch« abzuschieben.

Im Kontrast dazu möchte sich Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) Abschiebungen aus der Ausländerbehörde heraus verbitten. Die Polizei dürfe dies zwar machen, aber Schubert möchte trotzdem nicht, dass da Geflüchtete in Handschellen abgeführt werden, während sich ausländische Studierende der Universität Potsdam anmelden. Mit Blick auf die so gerühmte wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs fragt der Oberbürgermeister, wo dafür in Zukunft die Arbeitskräfte herkommen sollen, wenn man sie nicht einwandern lässt.

Zur Fachkräfteproblematik sagt auch Ministerpräsident Woidke etwas: Wenn Unternehmer die Politik wegen der Fachkräfte zum Handeln auffordern, dann erwartet er von den Firmen anständige Bezahlung und anständige Arbeitsbedingungen. Dass 250 000 Brandenburger nur den Mindestlohn erhalten, dürfte nicht sein, findet Woidke. »Wir brauchen nicht weniger Gewerkschaft, sondern mehr Gewerkschaft.«

Vor dem Hotel hatte sich früh der Gewerkschaftsbund DGB postiert und eintreffenden Delegierten seinen Fünf-Punkte-Plan für Tariftreue in Brandenburg übergeben. Im Leitantrag des SPD-Parteitags könnte sich mehr davon wiederfinden, sagte Matthias Loehr, DGB-Regionsgeschäftsführer Südbrandenburg/Lausitz.

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