Berlins Verkehrsverwaltung verteidigt Auto-Vorrang am Uhlandbogen

Berliner Bürgerinitiative will Straße in Wilmersdrof fahrrad- und fußgängerfreundlich umbauen – der Senat grätscht dazwischen

Rund 450 Meter lang schlängelt sich der Uhlandbogen durch den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, von der Kreuzung mit der Berliner Straße bis zur Kreuzung mit der Blissestraße. Mit je zwei Autospuren sowie einer Liefer- und Parkspur auf beiden Seiten trennt die breite Uhlandstraße den Schoelerpark im Volkspark Wilmersdorf vom Fennseepark – und zerstört die historische Mitte des Stadtteils Wilmersdorf. Das denkt zumindest Matthias Reich, Vorsitzender der Bürgerinitiative Wilmersdorfer Mitte. Er und seine Mitstreiter*innen engagieren sich seit 2016 für einen Umbau dieses Straßenabschnitts.

Seitdem haben sie schon einiges erreicht: Im November 2022 wurde eine Machbarkeitsstudie vorgestellt, danach besprach die Initiative mit der damaligen Senatsverkehrsverwaltung und dem Bezirksamt eine mögliche Umsetzung. Die von allen Seiten bevorzugte Variante sieht einspurige Fahrbahnen plus Park- und Lieferstreifen vor sowie einen breiteren Randstreifen mit Radweg, Grünstreifen und Gehweg, außerdem einen Fußgängerübergang, der den Weg vom einen Park zum anderen erleichtert.

Doch nun hat die CDU-geführte Verwaltung der Initiative eine Absage erteilt. Eine »direkte Umsetzung« der Machbarkeitsstudie sei nicht möglich, »und es würde mit Blick auf deren Umsetzbarkeit der Prüfung übergeordneter verkehrlicher Belange im Vorfeld von objektbezogenen Planungen bedürfen«, heißt es in dem Brief, der »nd« in Kopie vorliegt. Die Uhlandstraße habe eine »bestehende Verkehrsfunktion im übergeordneten Straßennetz«, die mit den »starken Einschränkung für den motorisierten Individualverkehr« nicht zu vereinbaren sei. Kurz gesagt: Weil eine Spur für das aktuelle Verkehrsaufkommen angeblich nicht ausreiche, eine Prüfung dieser Behauptung jedoch zu aufwendig sei, wird das Projekt auf Eis gelegt.

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Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag macht Reich seinem Ärger Luft: »Das fanden wir, gelinde gesagt, eine ziemlich freche Argumentationsweise.« Denn die Verwaltung ignoriere damit die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie, die den Umbau zu einspurigen Fahrbahnen bereits geprüft hätte. In der Studie, die »nd« in Auszügen vorliegt, heißt es, dass an einem durchschnittlichen Werktag die Fahrstreifenreduzierung »für den Kfz-Verkehr ohne größere Nachteile möglich erscheint«.

»Die Senatsverwaltung nimmt damit in Kauf, dass sich die Lage mit den Gefahrensituationen nicht verändert«, fährt Reich fort. In einer Präsentation zeigt die Bürgerinitiative Fotos von der Kreuzung Uhland-/Blissestraße, wo Jogger sich ihren Weg zwischen den Autos bahnen – die Kreuzung sei zu breit, die Ampelphasen zu kurz. Ein weiteres Fotos hat Dagmar Peitsch aufgenommen, die Ko-Vorsitzende der Initiative. Es illustriert, wie schlecht die Sicht für Fußgänger*innen ist, die den Uhlandbogen Richtung Schoelerpark überqueren wollen. »Schon ich habe Schwierigkeiten zu sehen, ob ein Auto kommt, und ich bin groß. Stellen Sie sich das bei Kindern vor«, sagt Peitsch. Mehrfach sei es an dieser Stelle bereits zu Autounfällen gekommen.

Die Antwort aus der Verkehrsverwaltung interpretieren Reich und Peitsch als Bekenntnis zur Auto-Dominanz. Doch das ist für die beiden nicht das einzige Problem. »Man missachtet unser bürgerschaftliches Engagement«, sagt Reich. »Das führt zu Politikverdrossenheit, zu dem Gefühl: Wir können ja sowieso nichts machen.«

Er gibt zu, dass unter Rot-Grün-Rot die Finanzierung des Umbaus noch nicht gesichert war. 12 Millionen Euro würde die bevorzugte Variante laut Machbarkeitsstudie kosten, Mittel, die der damalige Senat nicht zur Verfügung hatte. Ideen wie eine Anschubfinanzierung durch eine Landes-GmbH hätten jedoch im Raum gestanden. »Es ist ein Unterschied, ob man sich über eine Lösung Gedanken macht oder einfach sagt, es geht überhaupt nicht.«

Im Publikum der Pressekonferenz sitzen Vertreter*innen anderer Bürgerinitiativen. Sie teilen den Ärger über die von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) geführte Verwaltung. »Wir haben ja keine erfundenen Probleme«, sagt Birgitta Berhorst von der Initiative Bundesplatz. Ihr Verein kämpft gegen den Autotunnel und für eine Umgestaltung des Wilmersdorfer Platzes direkt an der Ringbahn. »Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wenn wir schauen, wie Verkehrsraum verteilt ist, dann überwiegend zugunsten des stehenden und fahrenden Autoverkehrs«, sagt Berhorst. Die Bezirksverordnetenverwaltung unterstützt das Anliegen, doch Senatorin Schreiner lehnte vor Kurzem die gewünschte Machbarkeitsstudie ab. »Wenn so die Uhr wieder zurückgestellt wird, belastet uns das extrem«, so Berhorst.

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