Nach der Schuldenbremse das Klimaparadies?

Die Schuldenbremse muss weg – doch selbst viele ihrer Gegner*innen verharren in zu bequemen Glaubenssätzen.

  • Lasse Thiele
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Urteil zum Nachtragshaushalt war ein Opfer schnell ausgemacht: das Klima. Da sich die Grünen fatalerweise darauf eingelassen hatten, die Finanzierung von Klimamaßnahmen hauptsächlich in einen Sonderfonds auszulagern, stehen die Überreste der Ampel-Klimaagenda jetzt vor dem Nichts. Die Kritik an der Schuldenbremse wächst massiv. Die ist längst auch großen Kapitalfraktionen zu unflexibel – vom BDI bis zum Berliner CDU-Bürgermeister Wegner rufen viele nach Reformen.

Natürlich muss die Schuldenbremse weg. Sie blockiert als spätneoliberales Disziplinierungsbollwerk politisches Handeln und wirkt mit jeder Krise stärker aus der Zeit gefallen. Doch nicht nur die bisweilen sozialpartnerschaftliche Rhetorik der neuen konservativen Kritiker*innen gibt Anlass zum Misstrauen. Auch Mitte-links-Kritik an der Schuldenbremse wirkt wenig emanzipiert von Kapitalinteressen, hängt meist altem keynesianischen Denken an und vertritt oft platten Standortnationalismus.

Die politisch derzeit realistischste Alternative ist eine reformierte Schuldenbremse, nach der »Investitionen« okay wären, andere Ausgaben etwa für Sozialprogramme aber weiterhin nicht schuldenfinanziert werden dürften. Investitionen rentierten sich schließlich, so die nicht völlig verkehrte, aber gegenwärtig doch verkürzte Begründung. Selbst Investitionen im Bildungsbereich werden primär mit Verweis auf so zu steigerndes Wirtschaftswachstum legitimiert. Doch viele der dringendsten Investitionen – auch manche, die der nun gesperrte Klima- und Transformationsfonds ermöglichen sollte – versprechen nicht unbedingt positive Renditen, sondern die Abwendung noch größerer Schäden, sei es durch Klimaschutz oder Klimaanpassungsmaßnahmen.

Lasse Thiele

Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.

Das bleibt natürlich ökonomisch sinnvoll, fügt sich aber nicht in den überholten Wachstumsglauben des traditionellen Anti-Schuldenbremsen-Keynesianismus ein. Auch Prävention gegen den erstarkenden Rechtsradikalismus wäre eine akut gebotene »Investition« – aber fiele vermutlich in weiten Teilen nicht unter die Definition einer gelockerten Schuldenbremse.

Auch gibt es Alternativen und Ergänzungen zu schuldenfinanzierten Investitionen, die noch größere politische Tabubrüche voraussetzen, aber sozial und ökologisch umso sinnvoller wären: Vermögens- und Erbschaftssteuern oder der Abbau fossiler Subventionen, ob für Diesel- und Dienstwagenprivileg oder überflüssige LNG-Terminals. All diese gilt es offensiv einzufordern. Das Geld zur Beseitigung sozialer und ökologischer Verwerfungen von den Profiteur*innen einzutreiben ist besser, als es verzinst von ihnen zu leihen.

Anders als es der Diskurs derzeit suggeriert, würden sich Verteilungsfragen selbst mit einer aufgehobenen Schuldenbremse nicht erübrigen. Nicht nur wie Spielräume geschaffen werden – durch Schulden, Steuererhöhungen oder Subventionsabbau –, sondern auch wofür sie genutzt werden und wem sie zugute kommen, bleibt eine Frage politischer Kämpfe. Die ausgebliebenen Proteste gegen den drastischen Sparhaushalt, der soziale Einrichtungen, Bildungsprogramme und Arbeit gegen Rechtsextremismus hart treffen wird, sind da kein gutes Zeichen. Das Karlsruher Urteil setzt die Regierung unter Zugzwang, doch wenig spricht dafür, dass die gesellschaftliche Linke sie zu bestimmten Zügen zwingen könnte.

Es bleibt richtig, sich als Linke breiten Bündnissen für die Aufhebung der Schuldenbremse anzuschließen. Doch braucht es darin auch eine eigenständige Position. Die sollte über standortnationalistische Sorge um »unsere Wirtschaft« hinausgehen, emanzipatorische Maßstäbe für Investitionen anlegen und nicht in der grün-kapitalistischen Wachstumslogik aufgehen, laut der man sich aus der Klimakrise bequem herausinvestieren könnte.

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