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Deutschland bröselt – Sparen ist da das falsche Mittel!

Mechthild Schrooten hält nichts von den Sparplänen des Bundesfinanzministers im Haushaltsstreit

  • Mechthild Schrooten
  • Lesedauer: 4 Min.

Haushalt macht keinen Spaß. Das erfährt gerade die Bundesregierung. Aber nicht nur sie – auch die anderen Regierungsebenen sind erschreckt. Hat doch tatsächlich das Bundesverfassungsgericht der Verschieberei von in Krisenzeiten geschaffenen Sondertöpfen einen Riegel vorgeschoben. Nicht ausgezahlte Mittel aus dem »Corona-Topf« können also nicht einfach umgewidmet werden. Auch dann nicht, wenn es sich um eine Umbuchung in einen Klima- und Transformationsfonds handelt.

In anderen Worten: In Krisenzeiten können also keine »Schulden-Vorräte« für andere Jahre gebildet werden. Das erscheint mehr als logisch. Eigentlich dürfte daher dieses Urteil keine Überraschung gewesen sein. Denn die straffe Anwendung der Schuldenbremse entspricht voll und ganz ihrem Geiste. Doch tatsächlich hat dieses Urteil einen politischen »Wumms« ausgelöst.

Die Politik wirkt weitgehend überrascht. Dies gilt nicht nur für die Regierungsparteien, sondern auch für die Parteien, die auf Landesebene agieren. Die Hektik der nach dem Urteil auf allen Ebenen stattfindenden Haushaltsberatungen lässt erkennen: Dieser Staat ist unterfinanziert.

Mechthild Schrooten
hs-bremen.de

Mechthild Schrooten ist Ökonomin und Professorin an der Hochschule Bremen.

Als Hintergrund: Bändigung der Zukunft. Die Schuldenbremse soll Stabilität garantieren. Aber das geht nicht.

Aktuell geht es auf der Bundesebene vor allem um 60 Milliarden Euro. Eine solche Summe lässt sich nicht einfach mit Kürzungen einzelner Ausgabenposten einfangen. Auch auf der Ebene der Landesregierungen wird gerechnet, um dem Urteil gerecht zu werden. So kommen weitere Posten dazu. Dabei werden teilweise die Leistungsansprüche unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen öffentlich gegeneinander ausgespielt.

Doch wie ist die Schuldenbremse in der Verfassung gekommen? Die Welt stand damals unter dem Eindruck der internationalen Finanzkrise. Eine flächendeckende europäische Verschuldungskrise sollte vermieden werden. Tatsächlich schien die Schuldenbremse wie eine Notwehr gegen allzu hohe Ansprüche an staatliche Leistungen – vor allem von Seiten der Banken und Industrie.

Zum Thema: Kampagne der Bestverdienenden – Wolfgang Hübner kommentiert Vorstöße zum Sozialabbau

Heute sind die Erfahrungen mit der Bremse vielfältig. Es fällt auf, dass wir in einer stark von Krisen geprägten Zeit leben. Diese Krisen werden nicht in Jahresfrist abgearbeitet. Krisen halten sich nicht an Haushaltsjahre.

Doch was wäre ökonomisch sinnvoll? Sicherlich ist eine staatliche Überschuldung kein Ausweg. Doch die Herausforderungen angesichts von Klimawandel und Transformation, Krieg und unsicheren Rahmenbedingen sind nicht zu übersehen. Natürlich könnte der Staat auf der Einnahmeseite ansetzen. Vielfach wurde über unterschiedliche Steuern, gerade für Vermögende und Unternehmen, diskutiert. Es drängt nun, den Übergang von der Diskussion zur Umsetzung zu finden. Doch das kann erfahrungsgemäß dauern. Und auch dann wird das Problem nicht vollumfänglich gelöst werden können.

Aber warum nicht einfach die Ausgaben kürzen? Natürlich muss jeder Haushaltsposten geprüft werden. Sinnlose Subventionen können gestrichen werden. Darüber hinausgehende Kürzungen werden aber kaum ohne erhebliche Einschnitte in staatliche Leistungen möglich sein. Staatliche Leistungen sind notwendig, der Markt richtet eben nicht alles – schon gar nicht in Krisen- und Umbruchsituationen. Der Markt kann kein Vertrauen herstellen.

Es muss also mehr getan werden. Tatsächlich ist der Investitionsstau im öffentlichen Sektor unübersehbar. Deutschland bröselt. Zu lange wurde weggesehen. Denkbar wäre, die alte »Goldene Regel« wieder einzuführen. Gemeint ist damit, dass staatliche Investitionen über Kredite finanziert werden können. Das könnte einer Modifikation der Schuldenbremse nahe kommen. Betrachtet man das Land aus der Perspektive der notwendigen Investitionen in den öffentlichen Sektor, so lässt sich wahrscheinlich schon jetzt leicht eine Notlage feststellen. Doch diese Notlage ist eher chronisch und nicht in Jahresfrist zu bewältigen. Es ist an der Zeit, die Problemlösung unaufgeregt, gezielt und strukturiert anzugehen.

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