Kein Krawall, keine Schlagzeile

Zum herbeifantasierten Ausnahmezustand Silvester

Stimmt! Es hätte viel schlimmer kommen können. Mein Nachbar hat das neue Jahr mit einer erstaunlichen Menge Silvesterraketen begrüßt. Eine davon verirrte sich in die Äste eines Baums vor meinem Balkon, schoss als Querschläger auf mich zu, explodierte aber harmlos noch etliche Meter von mir entfernt in der Luft. Ich habe mich schnell wieder in die Wohnung verzogen. Ich war sowieso nur draußen, weil eine Verwandte vom Lande wissen wollte, ob es in Berlin etwa auch so ruhig sei wie bei ihr in der Provinz. Eigentlich ja. In der ganzen Straße von der einen Kreuzung bis zur anderen böllerte nur der eine Nachbar.

Schon letztes Jahr war nicht viel los. Aber Berlin war bundesweit mit Horrormeldungen in den Schlagzeilen. Dass die Hauptstadt sehr groß ist und irgendwo immer was sein kann, scheint nicht zum Allgemeinwissen zu gehören.

Dieses Jahr sei es ruhiger gewesen als letztes, entnehme ich der Bilanz der Feuerwehr. Dabei sind Silvesterkrawalle im Vorfeld regelrecht herbeifantasiert worden. In Erwartung von Tumulten berichteten Rechte nach Angaben des Linke-Abgeordneten Ferat Koçak direkt von der Neuköllner Sonnenallee, um ihr rassistisches Vorurteil von gewaltbereiten Ausländern dann ins Internet posaunen zu können. Doch wenn es Gewalt gab, dann nicht unbedingt dort, wo sie erwartet oder von interessierter Seite geradezu ersehnt wurde, sondern an verschiedenen Stellen über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Daraus lässt sich schlecht eine sensationslüsterne Schlagzeile mit Migranten und Muslimen machen. Die Versuche, das zu tun, sind bezeichnend. Mal sehen, was sich die CDU im Wahlkampf nun einfallen lässt.

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