DDR: Nach Jahrzehnten Versicherung behalten oder wechseln?

Bringt ein Wechsel 33 Jahre nach der Wiedervereinigung Nachteile?

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Alte Policen: DDR: Nach Jahrzehnten Versicherung behalten oder wechseln?

Eine Qual der Wahl kannten Versicherungskunden damals in der Deutschen Demokratischen Republik nicht. Die Staatliche Versicherung der DDR hatte ihren Sitz in Berlin und war für Privatkunden der einzige Versicherer. Das Unternehmen bot vor allem Hausrat- und Haftpflichtverträge, Lebens- und Unfallpolicen sowie Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherungen an. Ein wichtiges Feld war auch die Wohngebäudeversicherung. Alles in allem wurden von der DDR-Versicherung etwa 30 Millionen Verträge betreut.

33 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es immer noch viele mit einer solchen DDR-Versicherung. Die Verträge wurden 1990 einfach zu neuen Anbietern mitgenommen. In letzter Zeit versuchen Versicherer häufiger, die alten Verträge in Neuverträge umzuwandeln, berichten Verbraucherschützer. »Die Betroffenen reagieren darauf oft verunsichert und fragen vermehrt bei uns an, ob ein Wechsel Nachteile haben könnte«, berichtet Jasmin Trautloft, Leiterin der Verbraucherzentrale in Plauen.

Im Fokus stehen besonders Eigentümer von Eigenheimen und Mieter, die ihre Wohngebäude- oder Hausratversicherung nach 1990 zu einem bundesdeutschen Anbieter mitgenommen haben. »Die große Besonderheit ist, dass regelmäßig die sogenannten Elementargefahren mitversichert waren«, erklärt Fabian Herbolzheimer von der Verbraucherzentrale Sachsen in einem Interview. Und das sind allen voran die Gefahren von Naturkatastrophen und Überschwemmungen. »Ein Kollege, mittlerweile in Rente, hat es immer so ausgedrückt: Die DDR hat das Haus auch noch versichert, wenn es schon halb in der Elbe stand.« Heutzutage ist es schwer, es zu versichern, wenn es an der Elbe steht.

Versicherer schauen zunächst, ob ein Gebäude in einem Risikogebiert steht und taxieren die sogenannte Gefährdungsklasse. Dann kann es sein, dass die Versicherungsgesellschaft einen Schutz ablehnt oder einen sehr hohen Beitrag verlangt. »Insbesondere die Wohngebäudeversicherung weist einen sehr hohen Versicherungsschutz auf, der heute auf dem Markt nicht mehr zu finden ist«, heißt es beim Bund der Versicherten (BdV) in Hamburg. Hauseigentümer sollten ihren alten Vertrag vor allem dann behalten, wenn sie in einem Überschwemmungsgebiet wohnen oder in einer Region, in der andere Elementargefahren verstärkt auftreten oder zukünftig drohen.

Unser Tipp: Ihr individuelles Überschwemmungsrisiko durch Flusshochwasser können Sie leicht ermitteln. Dazu stellt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) den »Hochwasser-Check« im Internet kostenlos zur Verfügung.

Anderseits kann ein neuer Vertrag Risiken absichern, die 1990 noch gar nicht existierten, wie etwa eine Photovoltaikanlage auf dem Dach oder eine Wärmepumpe im Keller. Außerdem sind sogenannte Kosten in älteren Verträgen weniger oder gar nicht berücksichtigt. Das können Kosten sein, die auftreten, um Abfälle und Bauschutt weg zu räumen oder für Übernachtungen, die durch Unbewohnbarkeit einer Wohnung nötig wurden. Solche Stolperfallen können sich übrigens auch in älteren Verträgen verbergen, die vor oder nach der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik abgeschlossen wurden.

Ein wesentliches Produkt der Staatlichen Versicherung zu DDR-Zeiten war auch die Haushaltsversicherung. Mehr als 95 Prozent aller Haushalte in der DDR waren darüber geschützt – international ein Spitzenwert. Die hohe Marktdurchdringung erklärt der BdV damit, dass innerhalb der Haushaltsversicherung ein ganzer Strauß an Versicherungen gebündelt war, sodass mit der Haushaltsversicherung fast sämtliche privaten Risiken abgedeckt waren. Zum »Strauß der Verischerungen« gehörten:

  • Hausratversicherung für private Haushalte
  • Haftpflichtversicherung sowie
  • eine Reisegepäckversicherung

In allen Fällen gilt: »Lesen Sie unbedingt das Kleingedruckte in ihrer DDR-Versicherung«, rät die Verbraucherzentrale Sachsen. Bis zu welchen Summen leistet die Versicherung, insbesondere wenn es um Elementarschäden wie Überschwemmung, Rückstau oder Erdrutschrisiken geht, und ist dies überhaupt versichert? Lassen Sie sich bei einem Vertragswechsel Zeit und unterschreiben Sie auf keinen Fall sofort. Besser ist es, die Verträge in Ruhe zu lesen und eventuell sogar von einem unabhängigen Experten oder einer der bundesweiten Verbraucherzentrale prüfen zu lassen.

Sonst ergeht es Ihnen wie der Staatlichen Versicherung der DDR, die vom westdeutschen Versicherungsriesen Allianz geschluckt wurde. Gleichzeititg gingen Vertreter anderer Westunternehmen in den neuen Bundesländer auf Kundenfang. Auch für diese Verträge gilt: Lesen Sie unbedingt noch einmal das Kleingedruckte! Was leistet die Versicherung bis zu welchen Summen?

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