Fernzughalt in Fangschleuse: Ein PR-Gag

Linke kritisiert den Verkehrsminister für offenbar zu vollmundige Versprechungen zum Tesla-Bahnhof

  • Lola Zeller und Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (Linke) ist sauer auf Brandenburgs Verkehrsminister Rainer Genilke (CDU). Der habe nämlich mit der Forderung Schlagzeilen gemacht, für einen Fernzughalt am Bahnhof Fangschleuse zu sorgen. Diese Bahnstation soll für die Beschäftigten der Tesla-Autofabrik in Grünheide ein Stück versetzt neu gebaut werden. Mit 220 Metern Länge sind die Bahnsteige für Nahverkehrszüge konzipiert, nach Überzeugung des Ministers aber auch für Fernzüge tauglich.

Büttner hat nachgefragt. Die Antworten von Genilke liegen dem »nd« vor. »Wie sich zeigt, hat der Verkehrsminister keinerlei Faktengrundlage für seine Bewertung, ein Fernzughalt bei Tesla sei möglich und sinnvoll«, kritisiert der Abgeordnete Büttner am Montag. »Wir haben gefragt: Wie viele Stopps soll es dort pro Tag geben? Der Minister macht keine Angabe. Wie viele ein- oder aussteigende Fahrgäste sind zu erwarten? Der Minister hat keine Ahnung. Wie viel würden zusätzliche Fernzughalte kosten? Der Minister weiß es nicht. Würde das Land sich an der Finanzierung beteiligen? Nein, zahlen soll die Deutsche Bahn.« Büttner urteilt aufgrund dieser unbefriedigenden Auskünfte: »Der Fernzughalt bei Tesla ist nichts weiter als ein PR-Gag des Verkehrsministers. Seriöse Verkehrsplanung, die den Menschen in der Region das Leben leichter machen will, sieht anders aus.« Da könne er mit Blick auf die Landtagswahl am 22. September nur warnen: »Augen auf!«

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Nach Angaben von Minister Genilke kommt ausgehend vom aktuellen Fahrplan für einen Halt in Fangschleuse nur der Eurocity von Berlin nach Warschau beziehungsweise Gdańsk infrage, der etwa im Zwei-Stunden-Takt fahre.

Noch längst nicht realisiert sind unterdessen auch die Pläne zur Erweiterung der Tesla-Fabrik. Dort war am Sonntag einiges los: Mit Hüpfburg, Gratis-Verpflegung und Kaffeeroboter, mit eigenständigen und chauffierten Fahrten in den Tesla-Elektroautos (auch in einer Miniatur-Variante für Kinder) und mit reichlich Personal wollte der US-Konzern das Herz der Anwohner gewinnen.

Deren Segen braucht Tesla. Denn um für die geplante Werkserweiterung mehr als 100 Hektar Wald roden und dort bauen zu dürfen, benötigt das Unternehmen die Zustimmung der Gemeindevertretung von Grünheide. Und die fragt erst einmal die Anwohner*innen nach ihrer Meinung. Bis zum 16. Februar können 7660 Einwohne*rinnen per Brief bei einer Befragung ihre Meinung kundtun. Das Ergebnis ist zwar rechtlich nicht bindend, aber Gemeindevertreter*innen wie Pamela Eich sagten bereits, dass sich die Gemeindevertretung voraussichtlich nach dem Ergebnis der Befragung richten werde.

Tesla ist also auf die Zustimmung der Nachbarn angewiesen, um einen Güterbahnhof, Lagerhäuser und eine Kita zu errichten. Aber nicht nur Tesla wirbt um Zustimmung für den umstrittenen Bebauungsplan 60, sondern auch Bürgermeister Arne Christiani (parteilos). »Wir als Gemeinde haben den selbst eingebracht, wir stehen natürlich dahinter«, sagt er.

Die Gemeinde sei im Rahmen des B-Plans nur für den Vorplatz des zu verlegenden Bahnhofs Fangschleuse verantwortlich. »Wenn der B-Plan nicht angenommen wird, dann bleibt es, wie es ist – dann müssen die Leute wohl im Forst aus der Bahn steigen«, sagt der Bürgermeister. Er argumentiert, wenn Tesla den Güterbahnhof nicht bauen dürfe, müssten Tausende Lkw durch die Ortschaften zur Fabrik und zurück tuckern. Der Güterbahnhof war ursprünglich schon für die 300 Hektar Fläche vorgesehen, die Tesla bereits zur Verfügung stehen. Dort ist er aber nicht gebaut worden.

Auch Sascha Gehm (CDU), Baudezernent in der Kreisverwaltung Oder-Spree, gibt sich als Tesla-Fan zu erkennen: »Strahlkraft bis zur polnischen Grenze«, »Perspektive für Rückkehrer«, »Arbeitsplätze« und so weiter. Der Landkreis informiert am Sonntag in der Tesla-Fabrik über den in seiner Verantwortung liegenden Radwege-Ausbau rundherum. Direkt nebenan stellt bei diesem Tag der offenen Tür der Landesbetrieb Straßenwesen die geplanten Straßen vor.

Die etwa 1200 Besucher*innen gehen interessiert von Stand zu Stand und stellen viele Fragen. Nicht alle sind begeistert von der Werkserweiterung. Stephanie Seehaus zum Beispiel ist aktiv im Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg, der sich dagegen starkmacht. Seehaus ist außerdem im Bürgerbündnis Grünheide aktiv – einem kommunalen Wählerbündnis. Sie lebt im Grünheider Ortsteil Freienbrink.

»Das ist eine Marketing-Veranstaltung von Tesla, einem kapitalistischen Unternehmen mit einem Mann an der Spitze, der antidemokratisch ist und dem Klimaschutz völlig egal ist«, sagt Seehaus mit Blick auf Tesla-Boss Elon Musk. Es sei äußerst bedenklich, dass Akteure wie der Landkreis Oder-Spree, die landeseigene Flächenagentur Brandenburg oder die Deutsche Bahn der Einladung in die Tesla-Fabrik gefolgt seien. Denn die Veranstaltung sei alles andere als neutral. »Die erzählen von den Plänen, als wäre das alles schon beschlossene Sache«, sagt Stephanie Seehaus. »Wenn wir als Kommunalpolitiker*innen eine solche Veranstaltung organisieren würden, dann würden die alle gar nicht erst kommen.«

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