1200 Menschen auf Hamburger Antirepressionsdemonstration

Bei dem Protest ging es nicht nur um den Rondenbarg-Komplex

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Das große lila Transparent mit der Aufschrift »Solidarität« sorgte am Samstagabend in Hamburg für Aufmerksamkeit: Die Buchstaben waren mit kleinen Leuchten geschmückt, die wichtigste Botschaft war damit sehr anschaulich vermittelten. Denn um Solidarität ging es auf der bundesweiten Demonstration zum G20-Rondenbarg-Prozess, der am Donnerstag in der Hansestadt begann. Rund 1200 Menschen waren gekommen, organisiert wurde der Protest von dem linken Bündnis »Gemeinschaftlicher Widerstand«.

Fünf Aktivisten sind vor dem Hamburger Landgericht wegen gemeinschaftlichem schweren Landfriedensbruch und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte beim G20-Gipfel im Juli 2017 angeklagt. Ihnen werden selber keine konkreten Handlungen zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die Linken aus verschiedenen Städten Deutschlands, sich während der Proteste gegen das G20-Treffen, in einer Menschenmenge mitgelaufen zu sein. Aus dieser Versammlung heraus waren Polizist*innen mit Steinen beworfen worden.

Jurist*innen und Bürgerrechtsgruppen warnten zu Beginn des Verfahrens vor einer Aushöhlung des Versammlungsrechts, wenn bereits die Anwesenheit auf einer Demonstration, aus der auch strafbare Handlungen erfolgen, zur Verurteilung führen kann. Nach dem ersten Verfahren sollen rund 80 weitere Aktivisten im Rondenbarg-Komplex verurteilt werden.

Doch auch auf der Demonstration ging es nicht nur um den Gipfelprotest von vor über sechs Jahren. Verschiedene Antifagruppen verbreiteten auf Transparenten etwa Botschaften zum aktuellen Rechtsruck. »SPD tötet«, lautete etwa eine Parole. »Damit wollen wir darauf aufmerksam machen, dass nicht nur die AfD sondern auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) massenhaft Menschen aus Deutschland abschieben will«, sagt ein junger Mann hinter dem Transparent, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Scholz war während des G20-Gipfels Oberbürgermeister der Stadt Hamburg.

Im vorderen Teil der Demonstration gingen Menschen mit Fahnen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN). In kurzen Redebeiträgen ging es außerdem um verschiedene Formen von Repression. So kritisierte eine Rednerin, dass der Hamburger Hansaplatz seit Sommer letzten Jahres durch eine Künstliche Intelligenz überwacht werde.

Ein Sprecher der linken Hamburger Gruppe Roter Aufbau berichtete über die eigene Kriminalisierung anlässlich des G20-Gipfels. »Wir wurden über 3 Jahre rund um die Uhr total überwacht«. Mittlerweile ist da 129a-Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Mitglieder der Gruppe eingestellt.

Das »Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen« informierte bei dem Protest auch über den Hungerstreik von Ihsan Cebelik. Das Mitglied der linken türkischen Band Grup Yorum kämpft damit um seine Freilassung, nachdem bei ihm Prostatakrebs diagnostiziert wurde. Lettow erinnerte daran, das zahlreiche weitere kurdische und türkische Linke in deutschen Gefängnissen sitzen. Auf sie müssten in die die Solidaritätsarbeit einbezogen werden, fordert der langjährige Aktivst der Gefangenensolidarität.

Die Demonstration wurde durch ein großes Polizeiaufgebot begleitet, die den Aufzug an einer Stelle stoppte. Ein Transparent, das ein brennendes Polizeiauto zeigte, sollte eingerollt werden, bevor die Menschen weitergehen durften. Zur Konfrontation kam es nicht: Die Teilnehmer*innen hatten von Anfang deutlich gemacht, dass sie daran kein Interesse hatten.

Vor dem großen Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis kam schließlich kämpferische Stimmung auf, die Gefangenen wurden mit einem Feuerwerk gegrüßt. Hinter den Zellenfenstern gab es Applaus und zustimmende Rufe.

Auf der Demonstration wurden Flyer für eine Solidaritätskundgebung am kommenden Mittwochnachmittag vor der Justizvollzugsanstalt Moabit in Berlin verteilt. Dort sitzen seit dem 14. Januar zwei junge Männer in Untersuchungshaft, nachdem sie von der Polizei auf der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration am Sonntag vor einer Woche verhaftet wurden.

Keine große Rolle spielte in den Reden auf der Demonstration das Angebot der Hamburger Richterin, das Verfahren Rondenbarg-werde eingestellt, wenn die Angeklagten eine Erklärung gegen Gewalt auf Demonstrationen unterzeichneten.

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