Gegen die subtile Ausbeutung bei Amazon

Amazon-Arbeiter aus Europa und USA diskutierten in Paris über neue Kampf-Strategien

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Am vergangenen Wochenende berieten in Paris Arbeitervertreter bei Amazon aus verschiedenen Ländern Europas und den USA über gemeinsame Strategien für den Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Organisiert wurde das Treffen von der Vereinigung Amazon Workers International (AWI), die 2015 im Ergebnis von Streiks in Deutschland und Polen gebildet worden war.

Der Kampf kann nur dann erfolgreich sein, wenn er grenzüberschreitend und solidarisch ist, waren sich die Teilnehmer einig. »Wenn wir in Deutschland streiken, müssen die Kollegen in Polen mehr arbeiten, denn dann erfolgt die Belieferung von dort aus«, sagte ein Teilnehmer aus der Bundesrepublik. »Die polnischen Kollegen werden gewissermaßen als Streikbrecher missbraucht.«

Adrian Zempel aus Dortmund begann als Student bei Amazon und ist seit der Corona-Periode in der AWI aktiv. »Anfangs war ich angenehm überrascht von den Arbeitsbedingungen, nach all dem, was man so hörte«, berichtet er. Doch mit der Zeit habe er festgestellt, dass hier die Ausbeutung sehr subtil erfolgt. Die Manager ließen zudem keinerlei Diskussion über die Arbeitsorganisation zu, und wer das in Zweifel ziehe, müsse mit Konsequenzen rechnen.

Dass sich Kampfaktionen auszahlen können, hat Zempel selbst erlebt. »Früher gehörte Amazon in Deutschland zu den Unternehmen mit den niedrigsten Löhnen. Doch durch wiederholte Streiks haben wir Lohnerhöhungen durchgesetzt, sodass wir heute mit einem Stundenlohn von bis zu 16,95 Euro über dem Durchschnitt der Logistikbranche liegen«, berichtet er. Dagegen erhielten die Kollegen in Polen im Schnitt nur 6,25 Euro und in Frankreich 12 bis 13 Euro.

Streiks hätten auch bei den Arbeitsbedingungen positive Veränderungen gebracht, meint er, und gewählte Gewerkschaftsvertreter seien bei Amazon Deutschland heute deutlich mehr respektiert als früher. Das ist in anderen Ländern längst nicht so. Am schlimmsten seien die Bedingungen in den USA, wo kämpfende Arbeiter einfach entlassen werden, wie Teilnehmer berichteten.

Romuald Fontaine stieß vor zehn Jahren als Student in Nordfrankreich zu Amazon und arbeitet mittlerweile in der Pariser Region. »Dass die Arbeitsbedingungen hart sind, merkt man nicht gleich«, sagt er. »Viele Arbeitsgänge sind eintönig bis hin zur Demoralisierung und durch einseitige Bewegungen oft auch körperlich belastend.« Während die Manager die Automatisierung gern als Verbesserung der Arbeitsbedingungen darstellen, gehe es hauptsächlich um Rationalisierung und mehr Gewinn. Dass viele Zeitarbeitskräfte etwa vor Weihnachten eingestellt werden, übe Druck auf die fest angestellten Arbeiter aus, meint Fontaine. »Aber am meisten belastet mich persönlich die ständige Kontrolle und Überwachung.«

Georg Barthel aus Leipzig, der zu Arbeitsbedingungen im digitalen Kapitalismus forscht, betont, dass es sich bei AWI um eine Vereinigung der Arbeiter handele und alle Initiativen von ihnen selbst ausgingen. Dabei spiele es keine Rolle, ob und wo jemand organisiert sei. Durch Aktivitäten an der Basis werde Druck von unten auch auf die großen Gewerkschaften und ihre hauptamtlichen Funktionäre ausgeübt, so Barthel. Die hätten sich zwar im Rahmen einer Amazon Global Union Alliance zusammengetan, um für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen einzutreten, doch von der Notwendigkeit internationaler Kampfaktionen seien sie schwer zu überzeugen.

Die AWI will indes keinen Konkurrenzkampf mit der Allianz, sondern eine Zusammenarbeit beider Netzwerke im Interesse aller Amazon-Arbeiter: »Wir sehen uns nicht als eine neue Gewerkschaft, sondern als eine Ergänzung zu den nationalen Gewerkschaftsorganisationen«, heißt es in der Abschlusserklärung. »Da die Gewerkschaftsführungen heute nicht in der Lage sind, diesen für uns notwendigen Schritt der Transnationalisierung des Arbeitskampfes zu gehen, müssen wir als Mitglieder von der Basis ihn wagen.«

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