»Remigration«: Ein Kampfbegriff der extremen Rechten

Der Alltag droht, mehr und mehr durch Sprache der Rechten geprägt zu werden, kommentiert Natascha Strobl

Der Begriff »Remigration« ist nach einem Geheimtreffen der politischen Rechten in Potsdam, das die Rechercheplattform Correctiv aufgedeckt hatte, in aller Munde. Dabei ist er keine Erfindung der Neuen Rechten, sondern hat in den Sozialwissenschaften eine feste Bedeutung. Der Begriff bezeichnet den Vorgang der freiwilligen Rückkehr in ein Heimatland, nachdem man aus diesem migriert ist. Er hat seine Berechtigung also vor allem in der Biografieforschung.

Entscheidend ist dabei, dass er innerhalb einer Biografie zur Anwendung kommt. Es geht also nicht um die Rückkehr in ein Land, aus dem die Vorfahren stammen. Entscheidend ist auch, dass es hier um individuelle und freiwillige Entscheidungen geht. Die Gründe für diese Rückkehr können höchst unterschiedlich sein und von Heimweh, wirtschaftlichen Entscheidungen bis Diskriminierung oder familiären Gründen reichen.

»Remigration« wird nun von der Neuen Rechten zu etwas anderem umgedeutet: der staatlich forcierten Rückkehr. Er wird zum Oberbegriff für eine Reihe an Maßnahmen dieser staatlichen Zwangsmaßnahme. Einerseits deckt er Abschiebungen ab, die schon jetzt vom Gesetz gedeckt sind und die auch schon jetzt stattfinden. Mit »Remigration« werden andererseits aber erzwungene Rückkehren von Menschen mit aufrechtem Aufenthaltstitel oder gar Staatsbürgerschaft gemeint. Neben den schon jetzt legalen Abschiebungen kämen dann auch Ausweisungen aufgrund von »kultureller Ferne« oder »Unerwünschtheit« hinzu.

Natascha Strobl

Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Lesen Sie auch: Martin Sellner droht eigene »Remigration« – Rechtsextremer Influencer soll Einreiseverbot für Deutschland erhalten

Im Nachgang der Enthüllungen von Correctiv gab es Versuche, »Remigration« mit Abschiebungen synonym zu setzen. Für diese Abschiebungen gibt es unterschiedliche Kriterien, vor allem aber werden von der Politik mangelnde Fluchtgründe geltend gemacht. Oder was ein Gericht als solche befindet. Die Umdeutung von »Remigration« ist aber ein bewusst weiter gefasster Begriff.

Der Begriff ist also in dieser Verwendung klar ein Kampfbegriff der extremen Rechten. Die Verwendung von umgedeutet-wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichem Vokabular soll Seriosität vortäuschen. Dasselbe hat man schon beim Begriff »Ethnopluralismus« versucht. Hier ist ein Phantasma aus ethnisch reinen Kulturen ohne jede Möglichkeit der Vermischung gemeint. Ein wahnwitziges Konzept, das gegen jede Menschheitsgeschichte steht.

Zum Thema: Nicht zu alt für Widerstand – Auf die Omas gegen rechts ist im Kampf gegen die AfD stets Verlass.

Neben »Ethnopluralismus« und »Remigration« gehört »der große Austausch« zu den erfolgreichsten Begriffsschöpfungen der vergangenen Jahre. Damit wird ein bewusst gesteuerter Austausch imaginiert, der von dunklen Eliten betrieben wird. Ähnlich ist die Um- und Neudeutung des »Great Reset« in der Corona-Pandemie, der auch als Verschwörungserzählung herumgeistert.

Mit »Remigration« wird nun wieder versucht, einen Begriff in den demokratischen Diskurs einzubringen, der mit einer Demokratie nicht vereinbar ist. Dieser Begriff ist ein Euphemismus für Vertreibung und ethnische Säuberungen. Medien und demokratische Öffentlichkeit dürfen nun nicht den Fehler begehen, diesen Begriff als normal zu verwenden und so zu einem diskutierbaren Konzept hinaufzuwürdigen. Das bedeutet auch, »Remigration« zu erklären und höchstens unter Anführungsstrichen zu verwenden. Sonst droht dasselbe wie mit den zuvor erwähnten Begriffen: Der Alltag wird mehr und mehr von rechtsextremer Sprache durchsetzt. Auch so befördert man ein autoritäres System. Umso wichtiger ist es, entschieden dagegen aufzustehen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal