IG Metall: »Wir sind jederzeit streikfähig«

Mit vielen Neumitgliedern und hehren Forderungen startet die Gewerkschaft ins neue Jahr

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 4 Min.

»Noch ist es nicht zu spät, da muss ein Plan auf den Tisch kommen, verdammt.« Mit diesen drastischen Worten stellte die Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, am Donnerstag ihre industriepolitischen Forderungen für das Jahr 2024 vor. »Die aktuelle Situation erfordert mutige staatliche Zukunftsinvestitionen«, sagte sie auf der Jahrespressekonferenz. Darunter fallen Investitionen in Höhe von rund 500 Milliarden Euro für die grüne Transformation der Industrie. Damit sollen Werksschließungen und eine drohende Deindustrialisierung in Deutschland verhindert werden.

Erstmals stellte die Gewerkschaft am Donnerstag dazu auch ihre Forderung nach einer sogenannten Transformationskommission vor. Dort sollen Vertreter*innen aus Bundes- und Landesregierungen, Unternehmen, der IG Metall sowie Expert*innen konkrete Schritte erarbeiten, um die Klimaziele zu erreichen. Unter anderem müssten »marktwirtschaftliche Anreize zur Auslösung privater Investitionen« und ein »Finanzierungsinstrument für öffentliche Investitionen« entwickelt werden. Bedingung sei allerdings, dass die Schuldenbremse abgeschafft, aber mindestens reformiert wird, um die notwendigen Staatsausgaben zu finanzieren.

Darunter fällt auch der sogenannte Brückenstrompreis. Nach dem Willen der Gewerkschaft soll die energieintensive Industrie mit Subventionen unterstützt werden, um die Unternehmen zu entlasten. Allerdings sollte auch Bürgerinnen und Bürgern mehr geholfen werden, hieß es auf nd-Anfrage. Am geplanten Klimageld der Bundesregierung formulierte Benner eine deutliche Kritik: Die anvisierte Regelung, ein pauschales Pro-Kopf-Geld zu zahlen, sei zu allgemein. Man dürfe »nicht mit Schrot schießen«, sagte sie und forderte einen differenzierten Ansatz. »Man muss schauen, wer es braucht.«

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Mit Blick auf öffentliche Aufträge oder Subventionen erneuerte die Gewerkschaft ihre Forderung nach Beschäftigungs- und Tarifgarantien, die die Bundesregierung von den Unternehmen verlangen soll. Damit will die IG Metall gegen die seit Jahren sinkende Tarifbindung vorgehen. Weniger als die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland arbeitet noch in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen, insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben. Auch soll so die betriebliche Mitbestimmung gestärkt werden.

Dazu kündigte die IG Metall am Donnerstag auch an, verstärkt gegen sogenanntes Union Busting vorgehen zu wollen. Das sind Unternehmensstrategien, die darauf abzielen, die Arbeit von Betriebsräten zu behindern oder ihre Gründung zu verhindern. Teils gehen die Unternehmen dabei mit psychischem Druck vor oder überhäufen die Beschäftigten mit jahrelangen Rechtsstreits. Dafür engagieren sie teure und auf derartige Strategien spezialisierte Anwaltskanzleien.

Auf nd-Nachfrage, ob die Gewerkschaft für die Unterstützung von Beschäftigten, die von Union Busting betroffen sind, künftig mehr Geld zur Verfügung stellen wolle, antwortete Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban: »Die Geldfrage ist nicht entscheidend.« Es müsse vielmehr gesellschaftlich verdeutlicht werden, dass es sich um Rechtsverstöße handelt. »Diesen Tatbestand zu skandalisieren, ist wichtiger als Geld«, unterstrich er.

Bereits jetzt ist die Behinderung von Betriebsräten strafbar. Doch bislang bietet das Gesetz kaum Schutz. Von der Bundesregierung fordert die Gewerkschaft darum, dass es zu einem Offizialdelikt erklärt wird. Dann müsste die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ermitteln. Die Ampel-Koalition hatte dies in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt, bislang allerdings noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. IG Metall-Chefin Benner verwies bis dahin auf die Verantwortung der Unternehmen: »Wir erwarten hier eine klare Positionierung gegen undemokratische Kräfte in den Betrieben«, unterstrich sie.

Um die demokratischen Kräfte in den Betrieben zu stärken, will die IG Metall künftig ihre Bildungsangebote gegen Diskriminierung und Demokratiefeindlichkeit ausweiten. Hierzu sollen sogenannte Kämpfer*innen für die Demokratie ausgebildet werden. »Die Bildungskonzepte werden überarbeitet und geschärft, um die Demokratie in den Mittelpunkt zu rücken«, erklärte dazu Vorstandsmitglied Ralf Reinstädtler. Es gehe darum, Menschen anzusprechen, die in den gewerkschaftseigenen Bildungsstätten nicht erreicht werden. »Wir wollen die Kolleginnen und Kollegen erreichen, wo sie leben«, betonte er. Dafür soll im kommenden Jahr mehr Geld bereitgestellt werden.

Davon hat die IG Metall aktuell genug. Die Beitragseinnahmen haben laut Gewerkschaftsangaben im Jahr 2023 einen Spitzenwert von 620 Millionen Euro erreicht. Dies geht auch auf die über 129 000 Neumitgliedschaften im vergangenen Jahr zurück. Obwohl die Gewerkschaft »demografiebedingt« mehr Austritte als Eintritte hinnehmen musste, sei die Zahl der Mitgliedschaften in den Betrieben gestiegen. »Der Mitgliederzulauf in den Betrieben gewährleistet: Unsere Streikkasse ist gut gefüllt«, teilte Nadine Boguslawski, Hauptkassiererin der IG Metall, mit. »Wir sind jederzeit streikfähig.«

Mit rund 2,14 Millionen Mitgliedern ist die IG Metall die größte Einzelgewerkschaft in Deutschland. Im Herbst steht die gewichtige Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie mit 3,9 Millionen Beschäftigten an. Kernforderungen werden auch dort Lohnerhöhungen und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sein.

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