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Linke peilt zweistelliges Ergebnis an

Landesverband Brandenburg nominiert dieses Wochenende in Templin seine Kandidaten für die Landtagswahl im September

Bei der Deutschen Bahn AG streiken die Lokführer. Doch Templin ist nicht vom Zugverkehr abgeschnitten. Denn diese Strecke wird von der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) bedient, die nicht bestreikt wird. So kann und wird ein großer Teil der 112 Delegierten mit dem Zug kommen. Im Ahorn-Seehotel von Templin stellt Brandenburgs Linke am Samstag und Sonntag ihre Landesliste für die Landtagswahl am 22. September auf.

Um Listenplatz sechs bewirbt sich neben dem Landtagsabgeordneten Ronny Kretschmer auch Fritz R. Viertel, Landesvorsitzender des alternativen Verkehrsclubs VCD und im Nebenjob Straßenbahnfahrer. Aus Schöneiche muss Viertel erst einmal mit der Straßenbahn oder mit dem Bus fahren und dann mit einer der wenigen S-Bahnen, die trotz Lokführerstreik verkehren, um in Berlin in den Regionalexpress nach Templin umsteigen zu können. Er hat zwar einen Führerschein, aber keinen Pkw. Ihm ist bewusst: Viele Brandenburger sind ohne eigenes Auto aufgeschmissen, kommen dann zum Beispiel schlecht zum Arzt. Das ist fatal in einem Bundesland, in dem immer mehr hochbetagte Menschen leben, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahrtauglich sind. »Allem Jubel über neue Züge und Buslinien zum Trotz bleibt Mobilität weiterhin ein privat(isiert)es Problem«, schreibt Viertel in seiner schriftlichen Bewerbung, die im Kandidatenheft abgedruckt ist. Mobilität sei ein Grundrecht, aber der öffentliche Nahverkehr nur eine »freiwillige Aufgabe« der Bundesländer und der Kommunen. »Wir müssen alle (Verkehrs-)Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Dafür trete ich ein.«

Anfänglich meldeten sich mehr männliche als weibliche Kandidaten. Bei der Linken gilt jedoch eine strenge Frauenquote. Jeder zweite Listenplatz ist für eine Frau reserviert. Darum haben sich kurzfristig noch mehrere Frauen für eine Kandidatur auf einem der hinteren Listenplätze bereitgefunden, darunter die Landesvorsitzende Katharina Slanina. »Wir haben jetzt 15 weibliche Bewerbungen. Das heißt: Wir wählen aller Voraussicht nach 30 Listenplätze«, erläutert Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg am Freitag. Das würde nach gegenwärtigem Stand bedeuten, dass jeder Bewerber und jede Bewerberin einen Listenplatz erhält – nur nicht unbedingt so weit vorn und so aussichtsreich wie gewünscht.

Aber was heißt hier aussichtsreich? Zehn Abgeordnete zählt die Linksfraktion im Moment. Die jüngsten Umfragen versprechen der Partei sechs Prozent. Das könnte für sechs bis acht Abgeordnete reichen. Rutscht Brandenburgs Linke am 22. September allerdings unter fünf Prozent, würde sie gar keinen Landtagssitz erhalten. In diesem Lichte ist zu verstehen, was Fritz R. Viertel sagt: »Es geht darum, ob Brandenburg in die Hände der Rechten fällt. Es geht darum, Die Linke zu retten – als sozialistische Kraft in der Bundesrepublik und als linke Opposition im Landtag. Unsere Zukunft steht auf dem Spiel.« Er kündigt an, dass er über den festgelegten Mandatsträgerbeitrag hinaus einen Großteil seines Abgeordnetengehalts freiwillig an einen Sozialfonds für den Wiederaufbau der Linken spenden würde.

Der als Spitzenkandidat vorgesehene Fraktionschef Sebastian Walter erklärt, Die Linke stecke in der vielleicht tiefsten Krise ihrer Geschichte – selbst verschuldet, weil sich Funktionäre ausgerechnet jetzt wichtiger nehmen »als die Sache, für die wir kämpfen«.

»Wir werden in den Parlamenten gebraucht, damit es wenigstens eine Partei gibt, die die Eigentumsfrage stellt und nicht davor zurückschreckt, sich mit den Reichen und Mächtigen in diesem Land anzulegen«, meint die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré, die sich um Listenplatz drei bemüht.

»Gerade jetzt, wo der Faschismus in Gestalt der AfD vor der Tür steht, braucht es entschlossene antifaschistische Politik«, betont die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Johlige, die Listenplatz fünf anstrebt. »In der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatte geht es vor allem darum, wie man Geflüchtete daran hindert, zu uns zu kommen, und wie man sie schnell wieder loswird«, stellt Johlige fest. »Als Linke sind wir die einzige Partei, die konsequent dafür streitet, dass alle Menschen sich hier ein eigenständiges Leben in Würde aufbauen können.« Die aktuelle Wahlperiode des Landtags sei, sagt Johlige, ein einziger Abwehrkampf gewesen: gegen das geplante Abschiebedrehkreuz am Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld, gegen sinnlose Grenzkontrollen und gegen den Abschiebewahn von Innenminister Michael Stübgen (CDU).

Soziale Gerechtigkeit ist ein großes Thema für die Linken. Gleich mehrere Kandidaten offenbaren persönliche Erfahrungen. So bekennt Patricia Usée: »Dass alle Menschen gleichermaßen am gesellschaftlichen Leben teilhaben, ist mir auch aus eigener Armutserfahrung heraus das wichtigste Anliegen.« Anja Kreisel verrät, sie sei »ehemalige Hartz-IV-Empfängerin«. Matthias Holz schildert: »In einer Zeitarbeitsfirma habe ich für einen Stundenlohn von 6,63 Euro im Niedriglohnsektor gearbeitet.« In einer hoffentlich starken Linksfraktion wolle er sich dafür einsetzen, »dass die Umverteilung aus der Mittelschicht zu den reichsten Menschen in diesem Land aufhört«.

Die Chancen, dass er die Gelegenheit erhält, stehen nicht gut. Denn Holz bewirbt sich um einen der Listenplätze von Rang 11 bis 30. Als Mann könnte er im günstigsten Fall auf Platz zwölf kommen. Dass dies für einen Einzug in den Landtag ausreicht, scheint beinahe ausgeschlossen zu sein. Aber Linksfraktionschef Walter ist da nicht so pessimistisch. Wie er dem »nd« am Freitag ankündigt, will er an diesem Samstag in seiner Rede in Templin das anspruchsvolle Ziel ausgeben, dass Die Linke bei der Wahl am 22. September ein »deutlich zweistelliges« Ergebnis erzielt. Gelingt das, wären zwölf oder mehr Abgeordnete durchaus möglich. Walter sagt: »Wir brauchen eine stärkere Linke im Landtag.«

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