Katar schlägt einmonatige Waffenruhe vor

Arabische Staaten und Palästinensische Autonomiebehörde wollen die Hamas aus den Plänen für die Zukunft des Gazastreifens ausschließen

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Optimismus und Pessimismus liegen manchmal eng beieinander. In Paris haben sich Vertreter der israelischen, US-amerikanischen und ägyptischen Geheimdienste sowie der Regierungschef von Katar getroffen, um über einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas zu sprechen. Katars Premier Mohammad Bin Abdulrahman Al-Thani hatte einen Deal zu präsentieren: 30 Tagen lang sollen demnach die Waffen schweigen, Frauen, Kinder, Kranke und Alte unter den noch 132 israelischen Geiseln im Gazastreifen freikommen. Israel würde im Gegenzug eine »größere Zahl« an palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen entlassen. Gleichzeitig sollen beide Seiten über eine dauerhafte Lösung verhandeln, und das ist der Punkt, an dem die Skepsis beginnt: Die Differenzen sind so groß, dass eine Einigung derzeit nahezu unwahrscheinlich erscheint.

Denn die Hamas fordert nicht weniger als einen kompletten Abzug der israelischen Truppen, die Freilassung aller palästinensischen Häftlinge und Garantien der internationalen Gemeinschaft, dass sie dauerhaft an der Macht bleiben kann, mit unkontrolliertem Waren- und Personenverkehr an den Grenzen. Für Israels Politik und Gesellschaft, wo die Erinnerung an das Massaker vom 7. Oktober 2023 noch frisch ist, sind das inakzeptable Forderungen. Ebenso für die offizielle palästinensische Regierung und eine Reihe von arabischen Führungen: Dort hat man oft selbst Probleme mit gewaltbereiten Gruppen und befürchtet, dass eine solche Vereinbarung zur Blaupause für Konflikte im eigenen Land werden könnte.

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In der vergangenen Woche trafen sich zudem in Riad Vertreter der saudischen, jordanischen und ägyptischen Regierungen mit der offiziellen palästinensischen Führung, um über die künftigen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen im Gazastreifen zu sprechen. Keine Seite äußert sich offiziell dazu, doch die inoffiziellen Aussagen von jenen, die dabei waren, sind eindeutig: Man plant ohne die Hamas – oder höchstens mit einer Hamas, die am Katzentisch sitzt, ohne wirklichen Einfluss. Und man plant ohne Mahmud Abbas, der seit 2004 palästinensischer Präsident ist, und das seit 2009 ohne jegliches Mandat. Die palästinensische Autonomiebehörde müsse von Grund auf erneuert werden, mit einem besonderen Fokus auf eine Dezentralisierung der Macht, die derzeit nahezu ausschließlich auf Abbas konzentriert ist. Saudische Regierungsvertreter betonen aber auch: Komme der Erneuerungsprozess, werde man eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel von einer Anerkennung der palästinensischen Unabhängigkeit machen. Verweigere sich Abbas, werde das ohne diesen Zwischenschritt passieren.

Und als wäre alles nicht schon kompliziert genug, sorgte am Wochenende die israelische Rechte wieder einmal für einen Extraschub an Hoffnungslosigkeit: 12 Minister, 15 Abgeordnete der Koalitionsparteien nahmen an einer Konferenz teil, die die Forderung nach einem Wiederaufbau der Siedlungen im Gazastreifen zum Thema hatte – und auch den Transfer von Palästinensern aus dem Gazastreifen in die Nachbarländer. Gesamt-Teilnehmerzahl: 3000. Auch an mehreren Demonstrationen nahmen Tausende teil.Die Kritik ist enorm. Im Vordergrund: die Umsiedelung. »Eine andere ethnische Gruppe umzusiedeln, ist das nicht das, was uns in Europa geschehen ist?«, sagte Merav Leschem-Gonen, Mutter einer der Gaza-Geiseln, während der Sitzung eines Knesset-Ausschusses. Und im Parlament selbst wird Regierungschef Benjamin Netanjahu vorgeworfen, »nach der Pfeife der Rechtsradikalen zu tanzen«, so beispielsweise Jair Lapid von der Zentrumspartei.

Netanjahu selbst äußerte sich in den vergangenen Monaten zwiespältig: Einen Wiederaufbau der Siedlungen, die 2005 komplett geräumt worden waren, schloss er aus. Auf der anderen Seite betonte er aber immer wieder, es werde eine dauerhafte israelische Präsenz in Gaza geben, nur um dann wieder davon abzurücken, sobald aus den USA Kritik daran aufkam.

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