Jugendclub in Berlin: Die Linse steht leer

Am Mittwoch mussten die Jugendlichen den Jugendclub in Lichtenberg räumen, sie engagieren sich für eine Wiedereröffnung

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Außenbereich des Jugendclubs Linse
Der Außenbereich des Jugendclubs Linse

Stundenlang verpackt Tobias Krüger mit Freund*innen am Mittwoch Musikinstrumente und anderes Equipment. Jahrelang hatte sein gemeinnütziger Verein Libero e.V., der sich der Förderung der Rockmusikkultur in Lichtenberg widmet, seinen Sitz im Lichtenberger Jugendzentrum Linse an der Parkaue. Doch damit ist jetzt erst mal Schluss. Am 31. Januar muss der Verein die Linse räumen.

Diese Frist hatte die Sozdia-Stiftung Berlin gestellt, die den Mietvertrag mit der Stadt Berlin für das rotgestrichene Gebäude am Stadtpark Lichtenberg beendet hat. »Hätten wir unser Equipment nicht ausgeräumt, wäre es auf unsere Kosten eingelagert worden«, sagt Tobias Krüger zu »nd«. Er sei verwundert, warum ein solcher Druck ausgeübt werde, wo doch die Räume der Linse erst einmal leer stehen würden.

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Es gibt noch einen weiteren Grund für Krügers Unverständnis: In seinen Augen hatte es in den vergangenen Wochen positive Signale gegeben, dass die Arbeit des Jugendclubs bald unter einem neuen Träger fortgesetzt werden könnte.

Nachdem im Herbst letzten Jahres die Pläne für die Schließung der Linse bekannt geworden waren, wehrten sich die jugendlichen Nutzer*innen des Clubs dagegen. Sie organisierten regelmäßig Kundgebungen vor dem Rathaus Lichtenberg sowie eine Stadtteildemonstration und luden zu Runden Tischen ein, um mit allen Beteiligten über die Zukunft des Clubs zu reden. Durch diese Öffentlichkeitsarbeit wurde das Kollektiv des selbstverwalteten Jugendzentrums Potse auf die Situation der Linse aufmerksam und bekundete ihr Interesse, die Jugendarbeit anstatt der Sozdia-Stiftung fortsetzen zu wollen. Die Potse musste ihr langjähriges Domizil in Schöneberg schon vor drei Jahren verlassen. »In der Zollgarage, die wir seitdem nutzen, sind viele unserer bisherigen Aktivitäten nicht mehr möglich«, schildert ein Mitglied des Potse-Kollektivs die aktuelle Situation.

Im Bezirk Lichtenberg stießen die Jugendlichen mit den Plänen für einen Weiterbetrieb der Linse zunächst auf offene Ohren. Das berichtet zumindest Lewin vom Solidaritätsnetzwerk, das in den letzten Wochen den Kampf um den Erhalt des Jugendclubs vorantrieb, gegenüber »nd«. Er hebt positiv hervor, dass beim letzten Runden Tisch am 24. Januar der Kreis der Unterstützer*innen noch gewachsen war.

Der Runde Tisch formulierte gemeinsam die Forderungen, die in einem Antrag mit dem Titel »Erhalt der Jugendfreizeiteinrichtung Linse« mündeten, der von der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg am 24. Januar zum großen Teil übernommen wurde, erzählt Lewin. Er sieht hierin einen großen Erfolg. »Denn die Annahme des Beschlusses ist auf unseren gemeinsam organisierten Druck hin geschehen, nicht weil den Politiker*innen das Thema am Herzen liegt.«

Lewin ist klar, dass mit dieser Entscheidung die Linse noch nicht gerettet ist. So seien die Formulierungen an einigen Stellen sehr vage geblieben. Zudem wisse er nicht, ob bei den Runden Tischen, die der Bezirk nun einberufen will, auch die Initiativen und Einzelpersonen, die in den vergangenen Monaten für den Erhalt der Linse auf die Straße gingen, ihren Platz finden werden. Doch die Aktivist*innen wollen weiter Druck machen. Ihre Forderungen werden von Lewin klar benannt: »Dazu gehört, dass die Politik schnellstmöglich die Sanierung der Räume des Jugendclubs in die Wege leitet, damit die Aktivitäten dann gemeinsam mit dem Potse-Kollektiv wiederaufgenommen werden können.«

Bisher spielte sich der Kampf um die Linse im Stadtteil Lichtenberg ab. Druck wurde auf die verantwortlichen Bezirkspolitiker*innen ausgeübt. Jetzt wollen die Aktivist*innen den Kampf um den Erhalt der Linse zu einem Berliner Thema machen. Am 8. Februar um 16 Uhr rufen die Unterstützer*innen der Linse zu einer Kundgebung vor der Senatskulturverwaltung auf, der das Gebäude der Linse gehört.

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