Seenotrettung steht unter Strafe

Robin Jaspert über die Migrationspolitik der Bundesregierung

  • Robin Jaspert
  • Lesedauer: 3 Min.

Das kürzlich im Bundestag durchgewinkte »Rückführungsverbesserungsgesetz« ist ein Gesetzesvorhaben, das aufgrund der zu erwartenden Folgen in der Kritik steht. Die Einleitung der Beschlusssache liest sich durchaus gut: »Mehr denn je bedarf es jetzt eines entschlossenen Eintretens für […] die Würde jedes einzelnen Menschen.« In der Praxis allerdings bedeutet das Gesetz eine Fortschreibung der rassistischen Unterteilung in wertvolles, vor allem weißes, und abgewertetes, besonders nicht-weißes Leben. Also das genaue Gegenteil des allgemeinen Schutzes der Menschenwürde. Rechtsextreme Kräfte und Regierungsparteien scheinen sich in ihrem Ziel einig: unerwünschte Migration nach Deutschland verhindern und bereits eingereiste Menschen ausweisen.

Das gilt zum Beispiel für die Erhöhung der maximalen Aufenthaltsdauer in Abschiebeknästen von zehn auf 28 Tage. Diese bedeutet für die Betroffenen eine weitere Verschlimmerung und Verlängerung einer sowieso schon unmenschlichen psychischen Belastung. Je länger die Aufenthaltsdauer in Abschiebeknästen, desto häufiger reagieren Betroffene mit Suizidversuchen.

Darüber hinaus bedeutet das Gesetzesvorhaben die endgültige Missachtung des Grundrechts auf Privatsphäre von in Gemeinschaftsunterkünften lebenden Geflüchteten. Zukünftig sollen Polizist*innen unangekündigt alle Räumlichkeiten von Unterkünften betreten und durchsuchen dürfen, so sie dort den Aufenthalt einer abzuschiebenden Person vermuten. Anlassloser und systematischer Schikane werden so Tür und Tor geöffnet.

Robin Jaspert
Robin Jaspert

Robin Jaspert studiert Wirtschaftssoziologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Ebenso sind Organisationen, die sich solidarisch mit Menschen auf der Flucht und Geflüchteten zeigen, von dem Gesetz betroffen. Ihre Arbeit wird weiter kriminalisiert. Ein besonders perfides Beispiel: Obwohl die Bundesregierung behauptet, nicht auf die Einschränkung von Seenotrettung abzuzielen, birgt das Gesetz in seiner derzeitigen Fassung laut Einschätzung von fachkundigen Jurist*innen das Risiko, die Rettung unbegleiteter Minderjähriger für zivile Seenotretter*innen unter Strafe zu stellen. »Diese Form der Kriminalisierung wird Menschen davon abschrecken, sich für schutzsuchende Menschen einzusetzen«, kommentiert Annika Fischer, Vorständin von Sea Eye, das Gesetzesvorhaben.

Im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems produziert das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz einen rechtlichen Rahmen, der rechtsextremen Träumen weißer Vorherrschaft in Europa den roten Teppich ausbreitet. Daran ändert auch die scheinheilige PR-Maßnahme von Regierungsverantwortlichen nichts, sich mit angeblichem Antifaschismus auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zu profilieren. Denn wie es auf einem Transparent in Frankfurt zu lesen war: »Wer Rückführungsverbesserungesetze beschließt, sollte zu Deportationsplänen der AfD schweigen.« Oder noch besser: keine Gesetze beschließen, die auf die Entmenschlichung von Migrant*innen abzielen und den Tod geflüchteterMenschen billigend in Kauf nehmen.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.