»Another End«: Die Zukunft nicht zu Ende gedacht

Piero Messina scheitert mit »Another End« wegen aufgesetzter Science-Fiction und fehlender Logik

  • Susanne Gietl
  • Lesedauer: 3 Min.
Diese Schwester bringt ihren Bruder auf dumme Gedanken: Bérénice Bejo arbeitet für die Toten-Erwecker-Firma Aeternum
Diese Schwester bringt ihren Bruder auf dumme Gedanken: Bérénice Bejo arbeitet für die Toten-Erwecker-Firma Aeternum

Sind Körper und Seele miteinander verbunden? Was macht überhaupt einen Menschen aus? Regisseur Piero Messina holt in »Another End« Menschen für einen zweiten Abschied zurück aus dem Reich der Toten. Aber spannende moralische und philosophische Fragen deutet er nur an, wodurch es dem Film an Tiefe fehlt.

Sal (Gael García Bernal) hilft in der ersten Szene einer älteren Dame, einen Duschkopf zu montieren. Sie lädt ihn zum Tee ein, im gleichen Raum sitzt ein Mann regungslos auf einem Sessel. Die Dame beachtet ihn nicht. Auch die Kamera fokussiert ausschließlich Sal und sie. Dann ziehen zwei Männer den Toten im Hintergrund aus. Erst als sie ihn in einer durchsichtigen Hülle abtransportieren, schenkt ihm die Kamera Aufmerksamkeit. Wie man später erfährt, ist dieser Körper eine menschliche Leihhülle, »Host« (Gastgeber), in die vor jeder »Session« in der Wohnung der alten Dame Erinnerungen ihres verstorbenen Mannes eingespielt werden.

Es ist nicht verwunderlich, dass Messina mit Sal und Zoe (Renate Reinsve) zwei Liebende für den Plot auswählt, die wie Orpheus und Eurydike durch den Tod voneinander getrennt wurden. Sal verlor Zoe durch einen Verkehrsunfall. Er fühlt sich verantwortlich für ihren Tod. Über ihre Beziehung erfährt man nur wenig, frühere Beziehungsmomente laufen in Sals »Ineye-Erinnerungsraum« ab: eine Art innerer Fernseher, auf dem Erinnerungen abgespult werden. Als Publikum sieht man nichts davon.

Messina verwendet Science-Fiction-Technik zurückhaltend, bis auf die Firma Aeternum, die die »Sessions« anbietet, und Ineye-Technologie ist nichts anders als in unserer Welt. Leider bläst Messina die wenigen Science-Fiction-Bilder künstlich auf. Beispielsweise präsentiert er die Leihkörper in einer riesigen Fabrikhalle, ein futuristischer Tunnel aus Glas und Stahl führt zur Firma, die in gewohntem Sci-Fi-Weiß dargestellt wird. Dazu wandelt Sal leidend mit tristem Blick durch eine blasse Betonwüste. So wollte man unbedingt klarstellen, dass es sich um Science-Fiction handelt.

Die Handlung ist erwartbar. Sals Schwester Ebe (Bérénice Bejo), die zufällig bei Aeternum arbeitet, überredet Sal, die geliebte Verstorbene für drei »Sessions« zurückzuholen. Die Anzahl ist vorgeschrieben, danach muss sich Sal endgültig von dieser verabschieden. Er fremdelt mit der freundlich lächelnden Leih-Zoe. Sie sagt etwas, er hört ihr nicht zu. Man fragt sich, ob die Sätze, die Zoe ausspricht, bereits von der noch Lebenden gesprochen wurden. Das könnte erklären, warum sich ihre Begegnung furchtbar platt anfühlt.

Das Drehbuch schrieb Piero Messina gemeinsam mit drei anderen. Dass so viele Autoren zugange waren, führte leider zu Logikfehlern. Als Sal schließlich Ava (Renate Reinsve), dem Host für seine tote Geliebte begegnet, scheint er von ihr, deren Körper eigentlich nur als Hülle für fremde Erinerungen dienen soll, ernsthaft angezogen zu sein. Dann verspinnt sich der Plot in Avas Doppelleben. Statt an Erinnerungen hält sich Sal an Avas Körper fest. Trauerarbeit findet nicht statt, stattdessen schiebt das Drehbuchquartett eine Therapiestunde ein, die leider mehr im Off als im Film stattfindet.

Die Idee von »Another End« ist zwar originell, allerdings wirkt das Drehbuch unfertig, jeder Charakter eindimensional und der Soundtrack zu gewollt. Statt zu berühren, lässt einen die Science-Fiction-Parabel kalt zurück.

»Another End«: Italien 2024. Regie: Piero Messina. Mit: Gael García Bernal, Renate Reinsve, Bérénice Bejo, Olivia Williams, Pal Aron. 130 Min. Termin: 25.02., 10 Uhr, Berlinale Palast

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