Wenn Polizeischüler parken

­In Oranienburg entsteht ein Wohnheim – und ein Problem mit Autostellplätzen

Am Montagabend um 20 Uhr steht an der Berliner Straße der Kran still. Die Baustelle ist verwaist, die Arbeiter haben längst Feierabend. Trotz der Dunkelheit sind fünf Geschosse im Rohbau zu erkennen. Am 19. April soll Richtfest gefeiert werden für das Wohnheim der Hochschule der Polizei in Oranienburg – und im Frühjahr 2026 soll es bezugsfertig sein. Platz für 400 Polizeianwärter wird es bieten. So viele junge Bewerber nimmt die Hochschule der brandenburgischen Polizei inzwischen pro Jahr an – und die absolvieren dann eine zweieinhalbjährige Ausbildung oder ein dreijähriges Studium.

Seit dem Jahr 2006, seit die mittlerweile zur Hochschule aufgewertete Fachhochschule von Basdorf nach Oranienburg umzog, kämpfte die Gewerkschaft der Polizei für so ein Wohnheim, sagt die Landesvorsitzende Anita Kirsten. Ohne unermüdlichen Druck wäre das Projekt längst gestorben und nie verwirklicht worden. Einst in Basdorf habe es noch Unterkünfte gegeben.

Gegenwärtig müssen sich die Zöglinge der Hochschule auf eigene Faust eine Bleibe suchen. Doch Oranienburg liegt im Berliner Umland und dort herrscht Wohnungsnot. Im vergangenen Jahr begann endlich der Bau des Wohnheims. 43 Millionen Euro kostet es. Die Finanzierung sei im Landtag immer das Thema gewesen, erinnert sich der Abgeordnete Björn Lüttmann (SPD), der zugleich Stadtverordneter im Oranienburg ist. In der Kommunalpolitik hat er dagegen nie Widerstand geben das Vorhaben wahrgenommen.

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Die Stadt verspricht sich von dem Wohnheim zusätzliche Kaufkraft, von der das hiesige Gewerbe profitieren könnte. Die 400 Insassen sollen ihr Geld möglichst in der Stadt ausgeben. »Wer schlau ist, macht jetzt hier eine Kneipe auf«, meint der Landtagsabgeordnete Lüttmann am Montagabend bei einer Anwohnerversammlung im nahegelegenen Café am Meilenstein. »Jeder trinkt gern mal ein Bierchen«, bestätigt einer der Polizeianwärter, die auch zu dem Gespräch gekommen sind. Sportstätten gebe es genug in Oranienburg und auch die eine oder andere Möglichkeit zum Ausgehen, berichten die jungen Leute. Mehr wäre schön, um gesellig die Zeit verbringen zu können. Oranienburg hat Anschluss an die Berliner S-Bahn. Die Hauptstadt lockt mit ihrer Klubszene. Dorthin fährt die Jugend von Oranienburg, um sich zu vergnügen. Immerhin gibt es in der Kreisstadt von Oberhavel aber ein Kino und das befindet sich idealerweise schräg gegenüber vom künftigen Wohnheim. »Absolut nichts gegen junge Leute, aber gesittet«, sagt ein Anwohner. Nicht dass man noch wegen Ruhestörung durch die Heimbewohner die Polizei rufen müsste. Doch eine Bürgerin beruhigt den Mann. Nach ihrer Erfahrung wissen sich die Polizeischüler zu benehmen.

Eigentlich treibt die Anwohner sowieso ein anderes Problem um. Die Parkplätze sind im Viertel jetzt schon knapp, und wenn da übernächstes Jahr noch die Polizeischüler kommen, von denen die Jüngsten mit 16 Jahren allerdings noch keinen Autoführerschein haben – was dann?

»Da brauchen wir nicht drumherum zu reden. Das wird eine Belastung«, findet Personalrat Mathias Ziolkowski. »Wo sollen die denn parken? Das ist ein objektives Problem.« 166 Stellplätze für Autos soll der Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen noch schaffen, allerdings zu einem Gutteil am 2,5 Kilometer entfernten Campus der Hochschule – untergebracht im ehemaligen SS-Truppenlager des 1936 errichteten KZ Sachsenhausen. Das Wohnheim entsteht gerade auf einem ähnlich bedeutsamen Gelände. An dieser Stelle gab es 1933 und 1934 das KZ Oranienburg. Die SA ermordete dort den anarchistischen Schriftsteller Erich Mühsam. Die Hochschule ist sich ihrer historischen Verantwortung bewusst. Die Geschichte der beiden Konzentrationslager wird dort gelehrt.

»Keine Angst vor uns, keine Angst, dass die Parkplätze weg sein werden. Das wird nicht der Fall sein«, versucht Hochschulpräsidentin Heike Wagner zu besänftigen. Zweieinhalb Kilometer mit dem Rad zur Hochschule zu fahren, sei den jungen Leuten zuzumuten. Schließlich wird von ihnen erwartet, sportlich zu sein und damit körperlich fit für den Dienst. 300 Fahrradstellplätze am Wohnheim sind vorgesehen.

Busverbindungen gibt es auch, worauf Stadtplanungsamtsleiter Christian Kielczynski hinweist. Außerdem: »Es gibt keinen Anspruch auf einen Autostellplatz im öffentlichen Straßenland.« Allerdings könnte die Stadtverwaltung, wenn große Parkplatzprobleme entstehen sollten, eine Parkraumbewirtschaftung mit Anwohnerparkausweisen einführen.

Als Vorteil wird angepriesen und auch empfunden, dass es mehr Ordnung und Sicherheit geben werde, wenn 400 Polizeischüler im Viertel wohnen und sich vielleicht auch noch in ihren Uniformen durch die Straßen bewegen.

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