Jahresbericht des Presserats: Leser sind sensibler geworden

Der Deutsche Presserat hat im Jahr 2023 so viele Rügen ausgesprochen wie noch nie

Gaza- und Ukraine-Krieg, Künstliche Intelligenz sowie die klassische Frage nach der Herkunftsnennung von Tatverdächtigen gehörten zu den Hauptthemen, die den Presserat im vergangenen Jahr beschäftigten. Insgesamt hatte die freiwillige Selbstkontrolle der Presse im vergangenen Jahr 73-mal ihre schärfste Sanktion, die öffentliche Rüge, verhängt.

Vor allem Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht sorgten für eine wachsende Zahl von Rügen. 22-mal rügte der Presserat schwerwiegende Fehler in der Berichterstattung, mehr als doppelt so oft wie im Jahr zuvor. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Text im Artikel nicht das wiedergibt, was die Überschrift verspricht. Nicht immer passiert das aus Versehen, »zum Teil wurde die Überschrift bewusst zugespitzt, um mehr Aufmerksamkeit und Klicks zu generieren«, erklärte die Sprecherin des Presserates Kirsten von Hutten bei der Vorstellung des Jahresbericht 2023. »Gerade in Krisenzeiten wünschen sich Leserinnen und Leser eine Berichterstattung, die ethischen Standards gerecht wird«, betonte von Hutten.

Die starke Zunahme der Rügen bedeutet nicht unbedingt, dass Medien in letzter Zeit weniger sorgfältig gearbeitet hätten. Obwohl die Wirksamkeit des Presserates manchmal angezweifelt wird, zeigt insbesondere die steigende Zahl von Beschwerden, dass die Rolle dieses Kontrollgremiums mehr Bedeutung gewinnt. Auch der Presserat selbst findet an der Zunahme der Rügen einen positiven Aspekt: Leser*innen seien sensibler geworden. Und der Presserat sei in der Ausschussarbeit sensibler geworden, so von Hutten.

Ein Großteil der Presse, rund 80 Prozent, hat sich zur Veröffentlichung der Rügen des Presserates verpflichtet. Auch die »Bild«-Zeitung, die in diesem Zusammenhang keinen guten Ruf genießt, hat im letzten Jahr mehrere Rügen veröffentlicht.

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Im letzten Jahr gab es viele Beschwerden an den Presserat über die Ukraine- und Gaza-Kriegsberichterstattung: 83 Einzelbeschwerden, die sich auf 67 Artikel in Print- und Online-Medien bezogen. Solche Beschwerden wurden größtenteils als unbegründet zurückgewiesen. Vor allem hat der Presserat bei den israelbezogenen Beschwerden bislang keinen Verstoß gegen den Pressekodex festgestellt. »Bei großen Themen wie den Kriegen in Israel und Gaza sowie in der Ukraine haben die Print- und Online-Medien ganz überwiegend sauber gearbeitet«, teilte von Hutten mit.

Unsere Redakteurin Negin Behkam ist gleichzeitig Mitglied des Presserats.

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