EZB leidet unter hohen Zinsen

Europäische Zentralbank und Bundesbank erwirtschaften Milliardenverluste

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Euro-Zeichen kann noch so verheißungsvoll strahlen, die Zinsen sinken deshalb nicht.
Das Euro-Zeichen kann noch so verheißungsvoll strahlen, die Zinsen sinken deshalb nicht.

Die Inflationsrate im Euroraum sinkt. Im Februar lag sie bei 2,6 Prozent. Doch mit einem Zinsschritt rechnen die allermeisten Analysten (noch) nicht. Trotzdem wird es interessant, wenn sich an diesem Donnerstag Christine Lagarde mit ihrem Rat zur März-Tagung in Frankfurt am Main trifft. Der Rat ist das oberste geldpolitische Gremium der Europäischen Zentralbank. In der anschließenden Pressekonferenz der französischen Präsidentin dürften die Milliardenverluste der EZB und der Bundesbank im Vordergrund stehen. Hinter den Kulissen lauert aber noch eine andere Herausforderung: der Wechselkurs des Euro.

Für exportorientierte Volkswirtschaften ist der Eurokurs von besonderer Bedeutung. Für die Niederlande, Österreich und die Bundesrepublik ist ein niedriger Wechselkurs gegenüber dem Dollar günstig, weil dieser den Preis für Waren senkt, die in die USA, China oder beispielsweise nach Polen ausgeführt werden. Andererseits verteuert ein schwacher Euro die Importe von Energie und Rohstoffen sowie Industrieprodukten aus China. Die Mehrzahl der Euroländer strebt daher mindestens »Parität« an: Ein Euro ist wenigstens einen US-Dollar wert.

Einfluss auf den Wechselkurs hat die wirtschaftliche Entwicklung. Und die spricht nicht für den Euro. Nach Angaben des Statistikamtes Eurostat ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 nur um 0,1 Prozent gestiegen. Zuletzt hatte das BIP sogar stagniert, während es im Verlauf des vierten Quartals in den Vereinigten Staaten deutlich gestiegen war. Insgesamt legte das BIP der USA 2023 um 3,1 Prozent zu. Anleger gehen jedoch lieber dahin, wo die Wirtschaft wächst – was den Wechselkurs des Dollar beflügelt, den Euro aber schwächt.

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Auch der Ukraine-Krieg und der damit zusammenhängende Abschied von preiswertem Gas und Öl aus Russland hat nicht allein die Inflation in atemberaubende Höhen getrieben, sondern ebenfalls den Euro getroffen. Der Kurs sackte um 17 US-Cent – annähernd 20 Prozent – auf 0,96 US-Dollar ab. Die Auswirkungen auf die Kalkulation von Firmen lassen sich unschwer ausmalen.

Zwischenzeitlich erholte sich der Euro-Kurs. Doch die schlechte Stimmung in der Wirtschaft beendete diese Erholungsphase. »Technische« Analysten, deren Einschätzungen auf mathematischen Modellen basieren, sehen nun wieder einen mittelfristigen Abwärtstrend voraus. »Die Anleger gehen dorthin, wo sie mehr Zinsen bei vergleichbarer Sicherheit bekommen oder vielleicht nur erwarten, dass dies geschehen wird«, schreibt Staud Research, ein deutsches Unternehmen, dass die Finanzmärkte analysiert. Und das ist in den USA. Dort steht der Leitzins der Notenbank Fed auf 5,5 Prozent, während der EZB-Zins bei »nur« 4,5 Prozent verharrt. Im Hinblick auf den Wechselkurs müsste Lagarde also den Leitzins weiter anheben. Das würde allerdings die Wirtschaft hart treffen. Vor allem linke Ökonomen wie Professor Rudolf Hickel oder der Wirtschaftsweise Achim Truger warnen vor hohen Leitzinsen, weil diese Kredite für die Unternehmen verteuern, Produktion und Investitionen bremsen.

Der Euro war 1999 eingeführt worden. In den ersten drei Jahren war er allerdings für die 300 Millionen Bürger unsichtbar, da er nur für Buchungszwecke verwendet wurde. Das Bargeld wurde erst am 1. Januar 2002 eingeführt und trat zu festgelegten Umrechnungskursen an die Stelle der nationalen Währungen, wie des französischen Franc oder der Deutschen Mark. Heute sind die Euro-Banknoten und Münzen in 20 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gesetzliches Zahlungsmittel.

In seiner Anfangszeit kostete ein Euro mehr als 1,20 US-Dollar. Bei Redaktionsschluss dieser nd-Ausgabe war ein Euro nur noch 0,92 US-Cents wert. Das seit der Finanzkrise stark beschädigte Vertrauen der Bürger in die EZB ist zwar vor der Corona-Pandemie etwas zurückgekehrt, zeigt eine Studie der Banque de France. Aber noch immer vertrauen Bürger der Institution weit weniger als in den ersten Jahren der Währungsunion.

Das Vertrauen kaum stärken dürften die kürzlich bekannt gegebenen Verluste. Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten hat die Notenbank der Eurozone rote Zahlen geschrieben. Lagarde bezifferte das Minus auf rund 1,3 Milliarden Euro. Die normalerweise übliche Gewinnausschüttung an die nationalen Zentralbanken – darunter auch die Bundesbank – fällt damit wie 2022 wieder aus.

Die Deutsche Bundesbank hat 2023 sogar das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erwirtschaftet. Der Verlust beträgt 21,6 Milliarden Euro. Eine Gewinnausschüttung an den Bundeshaushalt entfällt. Jahrelang kauften EZB und nationale Notenbanken Wertpapiere und finanzierten so Staaten und Unternehmen. Derzeit halten sie zusammen Papiere für 4,7 Billionen Euro. Diese Wertpapiere bringen kaum Zins ein. Gleichzeitig müssen sie Einlagen von privaten Banken höher verzinsen.

Bundesbankpräsident Joachim Nagel betonte mehrfach, dass es nicht Zweck einer Notenbank sei, Gewinne zu erwirtschaften. Im Unterschied zu privaten Unternehmen bleiben Notenbanken immer zahlungsfähig. Letztlich können sie ihr Geld selbst drucken. Das Vertrauen in den Euro stärkt das nicht.

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