»The Regime«: Neurosen im Rosengarten

Die Serie »The Regime« inszeniert Kate Winslet als durchgeknallte autokratische Herrscherin

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Spätestens, wenn die Regierungschefin (Kate Winslet) in einer Weihnachtsrevue auftritt, sollte man erkennen, dass das System kaputt ist.
Spätestens, wenn die Regierungschefin (Kate Winslet) in einer Weihnachtsrevue auftritt, sollte man erkennen, dass das System kaputt ist.

Als Kanzlerin regiert Elena Vernham (Kate Winslet) in der HBO-Serie »The Regime« ein fiktives kleines mitteleuropäisches Land mit harter Hand. Widerspruch wird nicht geduldet. Das bekommt auch bald ihr neuer Adjutant Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts) zu spüren, der mit einem Hygrometer, einem Gerät zur Messung von Luftfeuchtigkeit, vor der Kanzlerin durch den gigantisch-pittoresken Regierungspalast herlaufen muss, um etwaige erhöhte Werte zu melden. Denn Kanzlerin Vernham hat panische Angst vor Schimmel.

Da Herbert Zubak sich aber danebenbenimmt, packt ihn seine Chefin bei der Gurgel, würgt ihn und er wird in die Nachtschicht versetzt. Bis er plötzlich einen angeblichen Attentäter unschädlich macht, als großer Held gefeiert wird und sogar zum engen Berater seiner Regierungschefin aufsteigt.

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»The Regime« erzählt von den mitunter völlig absurden höfischen Ränkespielen einer illiberalen Demokratie, die von einer autokratischen Herrscherin regiert wird, die mit ihren durchgeknallten Eigenheiten tagtäglich ihr gesamtes Umfeld terrorisiert. Ganz ähnlich wie das auch viele bei Donald Trump wahrgenommen haben, dem zahlreiche Psychiater per Ferndiagnose diverse narzisstische Störungen attestierten und sich sogar mit einer Petition an den US-Kongress wandten.

Davon sind die Politiker und Angestellten im Umfeld von Kanzlerin Vernham weit entfernt. Lieber ducken sich alle in dieser manchmal ganz schön krawalligen Serien-Komödie brav weg. Mit dem Rasputin-ähnlichen Zubak als Berater wird die Situation dann sogar noch schlimmer. Das Land mit Alpenpanorama, in dem vor allem Zuckerrüben angebaut werden und die Wachen eher osteuropäisch anmutende Paradeuniformen tragen, gibt es auch Kobaltminen, weswegen die Großmächte sich um freundschaftliche Beziehungen bemühen und bei Menschenrechtsverstößen wohlwollend ein Auge zudrücken.

Denn Arbeitskämpfe werden hier blutig niedergeschlagen, während Kanzlerin Vernham den Jahrestag der Machtübernahme feiert, an dem das alte Regime »marxistischer Diebe«, wie es heißt, mit angeblich demokratischen Wahlen aus dem Amt gejagt wurde. Der Oppositionsführer Keplinger (Hugh Grant) sitzt derweil im Knast.

»The Regime« von Regisseur Stephen Frears ist eine zeitgeistige Polit-Satire, die sich über die immer zahlreicher werdenden rechten, illiberalen und autokratischen Herrscher unserer Zeit lustig macht, von denen es gefühlt jedes Jahr noch ein paar mehr gibt.

Über einen Zeitraum von einem Jahr erzählt die sechsteilige Serie die Geschichte dieser immer weiter eskalierenden Regierungsposse, in der sich das langsam in einen Bürgerkrieg schlitternde Land einem antiwestlichen Diskurs folgend immer weiter isoliert, während per Gentest angeblich nachgewiesen wird, dass der Kanzler-Flüsterer Zubak direkt von Karl dem Großen abstammt. Kanzlerin Vernham, die von Kate Winslet mit leicht herunterhängendem Mundwinkel und lispelnd hingebungsvoll gespielt wird, besucht derweil weiterhin fleißig das Regierungspalast-eigene Mausoleum, in dem ihr Vater, der frühere Regierungschef, wie einst Lenin in einem gläsernen Sarg liegt.

Überhaupt bietet diese Serie ein ganzes Füllhorn an popkulturellen Zitaten und Verweisen, wenn Kanzlerin Vernham wie Evita auf der Bühne singt, wobei sie schrecklich klingt, wenn sie wie Präsident Snow in der »Tribute von Panem«-Filmreihe durch ihren Rosengarten spaziert und einmal sogar ein Kleid anhat, das auch der Disney-Prinzessin Elsa aus »Frozen« gehören könnte.

Diese absolut künstliche, überdrehte, mitunter fast surreal anmutende Parodie schießt manchmal auch übers Ziel hinaus und wird ein wenig albern, ist aber gleichzeitig eine gelungene Satire auf alle möglichen autokratischen Systeme. Wobei sich die Kulturindustrie im Jahr des US-Präsidentschaftswahlkampfes insgesamt gerade gegen Donald Trump warmläuft. Auf Apple TV+ gibt es demnächst eine historische Serie über den Mord an Abraham Lincoln, in dem ein antirassistisches Amerika gegen das reaktionäre Amerika kämpft. Im Kino lief hierzulande gerade ein Film über die Trump-kritische Whistleblowerin Reality Winner an. Eine weitere Verfilmung des Stoffs hatte kürzlich Premiere auf dem Sundance-Filmfestival und kommt bald in die US-Kinos.

Bleibt abzuwarten, was im Lauf der kommenden Monate im Film- und Serienbereich noch in Bewegung gesetzt wird, um Trumps Wiederwahl zu verhindern. HBO macht mit »The Regime« schon mal einen guten Aufschlag.

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