Brandmauer adé: Kommunale Experimente mit rechts

Studie zeigt, dass in ostdeutschen Kommunalparlamenten die Abgrenzung zur AfD oft nicht mehr existiert

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Cottbus im Oktober 2023: Die AfD brachte im Stadtrat der brandenburgischen Stadt einen Antrag ein, der die »Aufhebung des Beschlusses A-06-18/21« zum Ziel hatte. Hinter dem nüchternen Titel verbarg sich ein brisantes politisches Signal. Mit dem genannten Beschluss hatte sich Cottbus 2021 auf Antrag von Linken und Bündnisgrünen zum »sicheren Hafen« erklärt und die Bereitschaft geäußert, Geflüchtete freiwillig aufzunehmen. Dass dies der AfD ein Dorn im Auge ist, verwundert nicht. Gut zwei Wochen später kam im Kommunalparlament indes ein neuer »Antrag zum Beschluss vom 28.04.2021 (A-06-18/21)« auf die Tagesordnung, gestellt von AfD und CDU. Beide wandten sich nun gemeinsam gegen den »sicheren Hafen«. Begründung: Der »gesellschaftliche Zusammenhalt« sei gefährdet, es brauche eine »Begrenzung der Zuwanderung«. Der Antrag wurde angenommen; auch ein SPD-Mann stimmte zu.

Rechtsextremismus: Brandmauer adé: Kommunale Experimente mit rechts

Der Cottbuser Fall ist ein Beispiel dafür, dass die viel beschworene »Brandmauer« nicht hält. Mit dem Schlagwort wird beschrieben, dass es keine politische Zusammenarbeit mit der AfD geben soll. CDU-Bundeschef Friedrich Merz hatte 2021 scharf vor schwarz-blauen Schulterschlüssen gewarnt: »Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.« In einem ZDF-Interview im Juli 2023 relativierte er zwar und erklärte, Kommunalpolitik sei »etwas anderes als Landes- und Bundespolitik«. Nach heftiger Kritik stellte er aber klar, die Beschlusslage der CDU gelte; es werde »auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit« mit der AfD geben.

Die schönen Worte entsprechen allerdings nicht der Realität. CDU-Politiker haben seit 2019 in ostdeutschen Kommunen in mindestens 52 Fällen mit der AfD oder anderen extremen Rechten zusammengearbeitet. Das zeigt eine aktuelle Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, aus der zudem hervorgeht, dass nicht nur Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte von der CDU die Brandmauern bröckeln lassen. Vielmehr hätten kommunale Politiker auch von SPD, FDP, Linken und Bündnisgrünen mit der AfD gemeinsame Sache gemacht, letztere in zehn bzw. fünf Fällen. Insgesamt stießen die Autoren Anika Taschke und Steven Hummel auf 121 Fälle von Kooperation zwischen den Kommunalwahlen 2019 und Ende 2023, ein Drittel in Sachsen. »Die Dunkelziffer«, sagt Hummel, »dürfte hoch sein.«

Die Formen der Zusammenarbeit sind unterschiedlich und reichen von der Zustimmung zu oder dem gemeinsamen Einbringen von Anträgen wie in Cottbus über gemeinsame Fraktionen bis zur Wahl von AfD-Politikern in Gremien. Mancherorts ist Kooperation mittlerweile beinahe die Regel. Die Studie erwähnt den Stadtrat Stendal, wo zehn Anträge der AfD auch Stimmen aus anderen Fraktionen erhielten; vier fanden eine Mehrheit. Für den Kreistag Sonneberg werden sieben Fälle erwähnt, darunter eine im November 2022 von der AfD vorgelegte Resolution zu Energiepreisen, die einstimmig angenommen wurde. Eingebracht wurde sie von Robert Sesselmann, der im Juni 2023 zum ersten Landrat der in Thüringen vom Verfassungsschutz als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuften Partei gewählt wurde.

Hummel glaubt, dass die vorangegangene »Praxis der Kooperation« mit der AfD im Kreistag einen Anteil an Sesselmanns Wahlerfolg hatte, weil sie zur »Normalisierung« der Partei in der öffentlichen Wahrnehmung beitrug. Folge davon könne sein, dass die Abgrenzung auch in den Parlamenten von Bundesländern und Bund nicht mehr durchgehalten wird. Die kommunalen Parlamente, sagt Hummel, seien ein »Experimentierraum« für politische Zusammenarbeit, und wenn dort erfolgreich kooperiert werde, dürfte sich das »perspektivisch auf den nächsthöheren Ebenen fortsetzen«. Erste Beispiele gibt es aus dem Thüringer Landtag, wo CDU und FDP etwa im Herbst 2023 dank der Stimmen der AfD die Grunderwerbssteuer senkten.

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Eine solche Steuer gilt vielen als ebenso »unideologisches« Thema wie Anträge zur Weihnachtsbeleuchtung, die der AfD in Stendal Mehrheiten eintrugen. Oft werde argumentiert, in Kommunen gehe es nur um die Sache, sagt Anika Taschke und widerspricht: »Es gibt keinen vermeintlich neutralen Sachpolitikraum.« Auch bei Bürgerfesten oder Kita-Gebühren zeige sich, dass die AfD manche Menschen ausschließen oder Familienmodelle diskriminieren wolle. Zudem seien kommunale Politiker der AfD »nicht von der Bundespartei zu trennen«. Die Barriere solle daher aufrechterhalten werden. Eine »Übernahme rechter Politik« gelte es zu verhindern.

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