Krankenhausreform: Der Streit endet nicht

Lauterbach legt endlich weiteren Gesetzentwurf zur Verbesserung der Krankenhausversorgung vor

Gilt nicht nur in Deutschland: Bei einer Krankenhausreform wie auch bei chirurgischen Operationen zählt die Teamleistung.
Gilt nicht nur in Deutschland: Bei einer Krankenhausreform wie auch bei chirurgischen Operationen zählt die Teamleistung.

Vor wenigen Tagen gelangte der lange erwartete Referentenentwurf zur Krankenhausreform an die Öffentlichkeit. Das war fast genau eine Woche vor jener Bundesratssitzung, bei der an diesem Freitag das sogenannte Transparenzgesetz nun endlich den Segen der Bundesländer bekommen soll. Auch dieses Gesetz behandelt wichtige Änderungen im Zusammenhang mit der geplanten großen Reform. Danach wäre etwa ein Online-Atlas zu schaffen, der Patienten Auskunft über bundesweit 1700 Klinikstandorte gibt – in Bezug auf Leistungen, Personalschlüssel sowie zu Komplikationsraten ausgewählter Eingriffe.

Was aber bringt nun der Entwurf zum KHVVG? Hinter der Abkürzung verbirgt sich das Wortungetüm Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte als Ziel der Reform auch eine bessere Qualität der stationären Versorgung genannt. Das soll durch eine stärkere Konzentration auf bestimmte Leistungen und mehr Spezialisierung erreicht werden. Die Vorhaltefinanzierung für bestimmte Leistungsbereiche soll zu Teilen die Finanzierung über Fallpauschalen ablösen. Das hieße, dass Personal auch dann bezahlt würde, wenn bestimmte Eingriffe oder Untersuchungen seltener nötig sind. Für welche Leistungsgruppen es Vorhaltepauschalen geben wird, ist noch nicht klar. Die Mittel dafür sollen am Ende von den Planungsbehörden der Bundesländer ausgewiesen werden.

Außerdem sollen laut Entwurf sektorenübergreifende Zentren für die ambulante Versorgung entstehen. Bei diesen von den Ländern zu bestimmenden Häusern handelt es sich um die »Level-1i-Kliniken« aus den frühen Stadien der Gesetzgebung. Neu im Entwurf ist, dass hier auch Hausärzte arbeiten sollen. Dazu wäre eine Ermächtigung durch Zulassungsausschüsse (mit Krankenkassen- und Ärztevertretern besetzt) in den Bundesländern nötig.

Auch die künftig zulässige Entfernung zum nächsten Krankenhaus soll im Gesetz geregelt werden. Prinzipiell soll eine Klinik mit Stationen der Inneren Medizin und Allgemeinen Chirurgie innerhalb von höchstens 30 Minuten per Auto erreichbar sein. Für alle anderen Leistungsgruppen sind es höchstens 40 Minuten. Bei der Planung berücksichtigt werden soll die Zahl der Einwohner, die von längeren Fahrzeiten betroffen wäre.

In Bezug auf die Finanzierung sind besonders die gesetzlichen Krankenkassen gefragt. Sie sollen vollständig für Tariflohnsteigerungen und die neu zu berechnenden Landesbasisfallwerte aufkommen. Diese wurden bisher der Berechnung der Fallpauschalen zugrunde gelegt. Zudem werden der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) höhere Zuschläge für bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum aufgebürdet. Das lässt unberücksichtigt, dass zum Beispiel auch Privatversicherte in Kliniken versorgt werden und dass der Erhalt von Strukturen zur Daseinsvorsorge gehört.

Noch gravierender sind die Kosten für den Transformationsfonds: Hier sollen insgesamt 50 Milliarden Euro für zehn Jahre aufgebracht werden, hälftig von den Bundesländern und den Kassen, jeweils 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.

So konzentriert sich die Kritik auf die Finanzierung: Die gesetzlichen Krankenkassen sehen sich und die Beitragszahler überfordert. Zu einer so großen Reform müsste die Regierung mit Mitteln aus dem eigenen Haushalt ihren Beitrag leisten, heißt es. Die Rücklagen der Kassen seien in den Vorjahren schon abgebaut worden, monieren Kassenvertreter. Ohne diese Reserve bleiben nur höhere Beitragssätze der Versicherten. Das Versprechen von Effizienzgewinnen für die GKV hat deren Vertreter noch nicht besänftigt.

»Die Sozialkassen sollen Betriebskosten finanzieren und nicht die Defizite von Infrastrukturreformen ausgleichen. Spätestens die Gerichte müssen dies stoppen«, mahnt etwa Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen. Mit Misstrauen aufgenommen wird auch die geplante Verschiebung der Mittelzuteilung aus dem Transformationsfonds in das Jahr 2026, eine wahlkampftaktische Entscheidung, so Knieps: »Das wird Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht über die Bundestagswahl im nächsten Jahr retten.«

Erwartungsgemäß hält auch die Opposition die Klinikfinanzierung im Entwurf für »völlig unausgegoren«. Die Verunsicherung in den Kliniken vor Ort nehme zu, sagte etwa der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge. Und trotz der versprochenen Summen sieht die Deutsche Krankenhausgesellschaft die wirtschaftliche Sicherung der Kliniken nicht gewährleistet.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wiederum wirft Lauterbach vor, selbst die kleinsten und unwirtschaftlichsten Häuser am Netz halten zu wollen. Die geplanten Versorgungszentren sollen für Hausärzte geöffnet werden, die Ärzte fragen zu Recht, wo diese denn herkommen könnten.

Der Kritik entgegnete Lauterbach, dass die meisten Forderungen der Bundesländer eingearbeitet seien, darunter Ausnahmeregeln etwa für Intensivmedizin, Geburtshilfe oder Kinderheilkunde. Der Gesundheitsminister sieht als nächstes eine Anhörung der Länder zum Gesetzentwurf vor, das Bundeskabinett soll spätestens am 24. April zustimmen. Startschuss für die Umsetzung wäre der 1. Januar 2025. Erst im März 2025 sollen in Rechtsverordnungen Einzelheiten geregelt werden – diese wären dann, im Gegensatz zu dem Gesetz an sich, zustimmungspflichtig durch die Bundesländer.

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