Autofrei am Görlitzer Ufer: Besser mit Klettergerüst

Am Görlitzer Ufer dürfen keine Autos mehr fahren, dafür sorgen bald Blühwiesen für Biodiversität und Versickerung

Friedrichshain-Kreuzberger Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne) begrüßt die neue autofreie Straße auf ihrem Fahrrad.
Friedrichshain-Kreuzberger Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne) begrüßt die neue autofreie Straße auf ihrem Fahrrad.

Einige kehren verwirrt um, andere fahren einfach weiter. »Da fehlt noch die Gewöhnung«, sagt Annika Gerold (Grüne), Verkehrsstadträtin im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Sie beobachtet Autofahrer*innen an der Ecke Görlitzer Straße/Görlitzer Ufer, die seit kurzem nicht mehr durch letzteres durchfahren dürfen. Poller wurden zwar keine aufgestellt, dafür aber viele Markierungen angebracht. »Wir werden gegebenenfalls nachsteuern«, so Gerold. Am Donnerstag gab sie die Fertigstellung des Straßenabschnitts in Kreuzberg bekannt.

Am östlichen Ende des Görlitzer Parks befindet sich zwischen Park und Landwehrkanal die Straße Görlitzer Ufer. Sie sei zuvor vorrangig durch parkende Autos geprägt worden, sagt Gerold. Nun ist sie dem Rad- und Fußverkehr vorbehalten. »Wir verfolgen mit der Maßnahme mehrere Ziele: Wir tragen zur Verkehrswende bei, schaffen Versickerungsflächen und fördern Biodiversität«, so die Stadträtin. 1000 Quadratmeter seien entsiegelt worden, auf den Flächen sollen Blühwiesen entstehen.

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Beschwerden von Anwohner*innen seien ihr nicht bekannt, sagt Gerold. In anderen Fällen wie im Graefekiez hatten Anwohner*innen und Gewerbetreibende über den Wegfall der Parkplätze geklagt, aber auch über die sich womöglich verschärfende Verdrängung aus dem Kiez, wenn Verschönerungsmaßnahmen zu Mietsteigerungen führen. Gerold erkennt an, dass auch die Umgebung des Görlitzer Ufers von starken »Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen« betroffen ist. »Das sollte aber kein Argument sein, um auf lebenswerte Räume zu verzichten, gerade wenn Menschen zum Beispiel keinen Garten haben.«

In der Frühlingssonne fahren nicht nur viele Radfahrer*innen durch die Straße. Einige Menschen nutzen die neuen Sportgeräte oder sitzen auf den Parkbänken. Jennifer Arwaj und Soraja Sanaa gehen mit ihren Hunden spazieren. Arwaj ist zunächst nicht begeistert über die Änderung des Verkehrs. »Man kann auch nicht alle Straßen dicht machen, das ist irgendwann übertrieben«, sagt sie »nd«. Menschen müssten auch mit dem Auto durch die Stadt kommen. Sanaa widerspricht: »Ich finde das gut, vor allem wenn hier Natur hinkommt. Ich bin auch für Berlin autofrei.«

Beide kritisieren, dass der Hundeplatz nebenan nicht gut ausgestattet ist. »Der Sand hier soll lieber auf den Hundeplatz, da sind überall Löcher«, sagt Arwaj und zeigt auf die noch nicht bepflanzten Flächen. Dennoch kann sie auch der neuen Nutzung des Görlitzer Ufers etwas abgewinnen. »Wenn hier zum Beispiel Klettergerüste hinkämen, wo mein Kind spielen kann, dann sollen die Autos von mir aus außen herum fahren.«

Klettergerüste sind bislang nicht durch den Bezirk geplant. Allerdings sollten eigentlich noch Zäune zum Schutz der Grünflächen und Betonsitzblöcke angebracht werden. Leider fehlt zurzeit das Geld. »Wir haben die Umgestaltung zum Großteil aus dem Programm für Stadtverschönerung finanziert, das dieses Jahr nicht mehr zur Verfügung steht«, sagt Stadträtin Gerold. Das sei auch ein Problem für künftige Entsiegelungsmaßnahmen. »Wir haben da ein großes Finanzierungsloch.« Derzeit steht aber weiterhin die Entsiegelung des Parkplatzes an der Koppenstraße/Palisadenstraße in Friedrichshain an. Daneben seien verkehrsberuhigende Maßnahmen geplant.

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